«Es kann jede treffen»

Brustkrebsmonat Mit der aktuellen Kampagne «Die Schweiz sieht pink - bekenne Farbe» mobilisiert die Krebsliga diesen Oktober zu mehr Solidarität mit Brustkrebsbetroffenen. Doch wie fühlen sich die Betroffenen wirklich? Brustkrebspatientin Ruth Widmer* weiss dies nur zu gut.

Brustkrebspatientin Ruth Widmer* (l.) besucht bereits seit ihrer ersten Chemotherapie im Jahr 2010 die Sprechstunden bei Jocelyne Koolen, Mitarbeiterin der Krebsliga Olten: «Die Chemie mit Frau Koolen stimmt einfach.» vwe)
Brustkrebspatientin Ruth Widmer* (l.) besucht bereits seit ihrer ersten Chemotherapie im Jahr 2010 die Sprechstunden bei Jocelyne Koolen, Mitarbeiterin der Krebsliga Olten: «Die Chemie mit Frau Koolen stimmt einfach.» vwe)

All die kleinen Dinge im Leben bekämen plötzlich viel mehr Bedeutung, beginnt sie unser Gespräch im Beratungszimmer der Krebsliga im Kantonsspital Olten. Ruth Widmer,49-jährige Mutter, blond-braune Haare, blaue Augen, die Frau von nebenan eigentlich - aber eben nicht ganz.

Ein Schlag folgte dem anderen

In den letzten Jahren musste die Neuendorferin so viele Höhen und Tiefen durchleben wie einige ihr ganzes Leben lang nicht. «Bis 2007 war mein Leben perfekt. Meine einzige Sorge war, dass ich ein oder zwei Kilo zugenommen habe», erinnert sie sich. Vor sieben Jahren dann die schmerzhafte Trennung von ihrem Ehemann, mit dem sie einen gemeinsamen, mittlerweile 18-jährigen Sohn hat. «Mir ging es psychisch sehr schlecht und daher denke ich, dass mein Körper enorm geschwächt war. Ansonsten habe ich immer gesund gelebt, nicht geraucht oder getrunken. Es kann leider einfach jeden treffen», erklärt Widmer und meint damit den nächsten und wohl grössten Schicksalsschlag in ihrem Leben. «Ich weiss es noch, wie wenn es gestern gewesen wäre. Ich habe im Garten gearbeitet, als meine rechte Oberkörperhälfte stark zu schmerzen begann.» Zuerst habe sie vermutet, es handle sich um einen herkömmlichen Muskelkater. Doch als die Schmerzen immer stärker wurden, tastete sie ihre Brust ab. Der Knoten war deutlich spürbar. Da sie ihren Sohn aufgrund einer Ohrenoperation in den Kantonsspital Olten bringen musste, nutzte sie diese Gelegenheit für einen Besuch bei derGynäkologin.

Erste Chemotherapie erfolglos

Auf den ersten Besuch folgten Ultraschall, Mammographie (Röntgenuntersuchung) und Biopsie, bis die Frauenärztin die damals 45-Jährige mit der Diagnose Brustkrebs konfrontierte. «Jedoch erklärte sie mir, dass sich der Krebs in einem frühen Stadium befinde und daher eine brusterhaltende Operation die Lösung sei.» So hielt sich die Neuendorferin daran fest und fing an sich mit der Situation zu arrangieren. Nach einem vorsorglichen MRI (Magnetresonanztomographie) änderte sich die Lage drastisch. «Es wurde Wasser in meiner Lunge entdeckt. Ich bangte, dass ich auch noch Lungenkrebs habe, was die Ärzte jedoch verneinten.» Denn diese hatten etwas anderes entdeckt: der Brustkrebstumor hatte weiter gestreut. Nicht mehr nur die rechte Brust war betroffen, sondern in Wirbeln, Brustbein oder bei den Lymphknoten entdeckten die Ärzte Metastasen. An eine Operation war nicht mehr zu denken und die erste Chemo wurde nebst paralleler Bestrahlung eingeleitet. Doch sie schlug nicht an. Vielmehr schwächten die Nebenwirkungen der Therapie die Betroffene so sehr, dass sie sich erstmals mit ihrem möglichen Tod auseinandersetzte. «Zu diesem Zeitpunkt konnte ich mir mein weiteres Leben mit diesem Leiden und der ständigen Ungewissheit nicht mehr vorstellen.»

Es geht bergauf

Doch die Ärzte änderten ihre Vorgehensweise und versuchten eine zweite Chemotherapie im September 2010. «Durch diese verlor ich zwar meine gesamten Haare, litt unter starkem Nasenbluten und meine Fingernägel waren so hohl, dass ich sie wie Aktenregister anheben konnte, doch das war mir egal. Hauptsache sie wirkt.» Und das tat sie. Bereits im Dezember 2010 konnte die letzte Spritze angesetzt werden. «Das war das schönste Weihnachtsgeschenk.» Um sich von den grossen Strapazen zu erholen, begab sich die Patientin in die Klinik Arlesheim (BL). «Dieser Aufenthalt half mir sehr, das Erlebte zu verarbeiten. Ich würde die Klinikunbedingt empfehlen.»

Enorme psychische Belastung

Die psychische Belastung während des ganzen Prozesses sei enorm gewesen. «Es war der Horror, insbesondere während der ersten Chemo. Ständig schlechte Nachrichten und diese unglaublichen Nebenwirkungen aufgrund der starken Medikamente.» Ohne ihr Umfeld hätte sie dies nie geschafft. «Sowohl mein Ex-Mann, der während der prekären Zeit für meinen Sohn sorgte, als auch Freunde und Familie waren sehr hilfreich.» Weiter schwärmt die Patientin von der tollen Betreuung durch die Onkologieärztin Dr. med Catarina Uhlmann Nussbaum am KSO, welche ihr bei der Perücken-Auswahl sowie der Entscheidung zu Beratungsgesprächen bei der Krebsliga und somit Jocelyne Koolen half, und das nette Pflegepersonal. «Wenn man Hilfe sucht, bekommt man sie.» So werden von der Krebsliga Olten auch Schminkkurse für Chemopatientinnen, Yogakurse oder die Gesprächsrunde «Leben wie zuvor» angeboten. Heute gilt Ruth Widmer zwar nicht als geheilt und muss immer noch Medikamente einnehmen, doch trotz der Rückfallchance will sie positiv bleiben. «Im Sommer durfte ich eine neue Stelle antreten undstarte einen neuen Lebensabschnitt.»

*Name auf Wunsch der Betroffenen geändert

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