Geschlecht - nein danke!

FHNW Wie definieren Sie ihr Geschlecht? Welche Rolle spielt es in unserer Gesell- schaft? Und wie passen Transmenschen in dieses gesellschaftliche Konstrukt? Diesen Fragen wird Gynäkologe Niklaus Flütsch im Rahmen der öffentlichen Ringvorlesungen am Mittwoch, 16. März auf den Grund gehen und Einblick in seine eigene Metamor- phose von der Frau zum Mann geben.

Nach 45 Jahren als Frau fühlt sich Gynäkologe Niklaus Flütsch heute wohl in seinem neuen Körper. (Bild: ZVG)
Nach 45 Jahren als Frau fühlt sich Gynäkologe Niklaus Flütsch heute wohl in seinem neuen Körper. (Bild: ZVG)

Am Mittwoch, 16. März gehen die laufenden öffentlichen FHNW-Ringvorlesungen zum Thema «Diversity - Vielfalt oder neue Etikette?» mit Gynäkologe Niklaus Flütsch in die vierte Runde. Nachdem letzten Mittwoch der Begriff Diversität mit Migration in Verbindung gebracht wurde, wendet sich Flütsch den neuen Etiketten und der Vielfalt in der Welt der Geschlechter zu.

Geschlechterkonstrukte aufbrechen

Der Gynäkologe wird in seinem Referat «Geschlecht - nein danke!» nicht nur die typischen Ge- schlechterrollen in unserer Gesellschaft hinterfragen, sondern auf der philosophischen, identitäts- stiftenden sowie auch körperlichen Ebene das Konstrukt Geschlecht beleuchten. «Unsere Ge- schlechterrollen sind eng mit Klischees verbunden. So wird uns von der Gesellschaft suggeriert, dass Frauen nicht einparkieren können und Männer nicht weinen», zeigt Niklaus Flütsch auf, der eine Praxis für Gynäkologie und Geburtshilfe FMH in Zug führt. Diese implementierten Geschlech- terrollen können laut Flütsch unbewusst unser tägliches Verhalten beeinflussen, wenn nicht sogar bestimmen. «Ich möchte gemeinsam mit den Besuchern am 16. März geschlechterspezifische Erwartungshaltungen aufbrechen und den Blick für Neues öffnen.»

45 Jahre im falschen Körper

Was es heisst, in eine falsche Rolle hineingezwängt zu werden, hat Niklaus Flütsch am eigenen Leib erlebt. Bis vor sechs Jahren wurde der 52-Jährige noch mit Frau Doktor Flütsch ange- sprochen. «Obwohl ich bereits in meiner Kindheit spürte, dass mein äusseres Erscheinungsbild nicht zu meiner inneren Wahrnehmung passt, wagte ich mein Coming-out erst sehr spät», blickt er zurück. Diese Hemmschwelle habe vor allem mit der früheren Pathologisierung der Transidentität zu tun. «Während meines Medizinstudiums kam ich erstmals mit dem Thema Transidentität in Berührung und ich wusste sofort, dass ich die darin beschriebenen Verhaltensweisen oder Empfindungen aufweise», erklärt Niklaus Flütsch und fügt an: «Allerdings wurden Transmenschen zu Zeiten meines Studiums noch als psychisch kranke Menschen angesehen und so war für mich ein Outing zur damaligen Zeit ausgeschlossen.» Er wolle seine 45 Jahre als Frau nicht pauschal als Qual abtun und obwohl er in der falschen Hülle agierte, konnte er sich in anderen, geschlech- terneutralen Bereichen wie beispielsweise seinem Beruf ausleben. Dennoch bezeichnet er die Anpassung seines Körpers als Metamorphose. «Die ersten Jahrzehnte meines Lebens verbrachte ich in einem eigentlichen Larvenstadium. Mit 46 Jahren konnte ich endlich als Schmetterling erwachen. Vorher war mein Leben ein Schwarz-Weiss-Film, nun erstrahlt es in bunten Farben.»

Gesellschaftliche Akzeptanz

Diesen grossen Schritt in sein neues Leben als Mann habe er sicherlich auch aufgrund der ver- besserten gesellschaftlichen Akzeptanz von Transmenschen gewagt. «Seit der Jahrhundertwende entscheiden sich immer mehr Menschen mit Transidentität zu einem Coming-out. Dadurch konnte die Stigmatisierung von Transmenschen, welche in den 80er- und 90er- Jahren herrschte, durch- brochen werden und eine Personifizierung mit diesem Thema stattfinden», so Niklaus Flütsch. Auch der Gynäkologe selber hat mit seiner Publikation «Geboren als Frau, Glücklich als Mann. Logbuch einer Metamorphose» zu dieser Aufklärungsarbeit beigetragen. «Ich wollte mithilfe meines Buches das negativ behaftete Bild von Transitionen und Transmenschen auflösen und auch anderen Personen Mut machen, das eigene Coming-out zu wagen.» Des Weiteren bietet er in der Zürcher Frauenklinik Triemli eine Sprechstunde für Transmenschen an, um sie zu beraten, über den Prozess einer Transition zu informieren oder an Fachpersonen zu vermitteln.

Neuer Blickwinkel auf das Geschlecht

Mit seinem Referat im Rahmen der öffentlichen Ringvorlesungen der FHNW Olten möchte Niklaus Flütsch die Zuhörer vor allem auch zum Nachdenken über ihr eigenes Geschlechterverständnis anregen. «Haben Sie sich schon einmal überlegt, warum es nötig ist, sich von Geburt weg in eine Geschlechterschublade drängen zu lassen? Salopp ausgedrückt: Warum spielt es für den Staat eine Rolle, welches Geschlechtsteil Sie unter Ihrer Hose verstecken? Wäre eine genderneutrale Gesellschaft nicht einfacher? Solche und weitere Fragen möchte ich in meiner Vorlesung mit dem Publikum behandeln.»

 

Vorlesung «Geschlecht - nein danke»

FHNW Campus Olten, Von Roll-Strasse 10

Mi, 16. März, 17.15 bis 18.45 Uhr

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