«Rote Hosen (2)»

Nach meinem Bericht von letzter Woche haben manche Leser mich darauf hingewiesen, dass nicht nur der Erste Weltkrieg, sondern auch der Zweite Krieg an hiesigen Schulen noch Jahrzehnte später besungen wurde. Das ist richtig. Ich kann bezeugen, dass ich auf dem Pausenplatz des Oltner Sälischulhauses 1968 folgende Verse lernte:

«Der Hitler kam geflogen,

Auf einem Fass Benzin,

Da meinten die Franzosen,

Es sein ein Zeppelin.

Sie luden die Kanonen

Mit Sauerkraut und Speck

Und schossen dem Herrn Hitler

Die Unterhosen weg.»

Interessant ist der Umstand, dass die Oltner Schuljugend, die in ihren Spottliedern betreffend 1914 noch ausgesprochen deutschfreundlich gewesen war, bis 1945 offenbar das Lager gewechselt hatte.

Das Lied hat noch ein paar weitere Strophen und endet ziemlich krud. Ich will es hier nicht in voller Länge wiedergeben, an heutigen Mass-stäben gemessen ist es wohl nicht ganz jugendfrei. Der Herr Hitler wird ins Gefängnis geworfen, wo er bei strenger Diät von Brot und Wasser nach einundvierzig Tagen zu Tode kommt. Seine Leiche wird mit tausend Affenschwänzen bekränzt und in einem Kinderwagen beigesetzt. Zum Schluss kommt noch der Pfarrer und meisselt eine wüsteBeschimpfung auf den Grabstein.

Bis heute ist mir unvergesslich, mit welcher Inbrunst wir das in den Himmel brüllten. Zwar hatten wir den Krieg nicht mehr erlebt. Aber die Erinnerung an das Leid und die Not unserer Eltern und Grosseltern war noch frisch.

Heute ist diese Erinnerung verblasst. Es geht uns gut, Gottseidank. Aber anderswo finden Kriege statt. An unseren Schulen gibt es Kinder, deren Eltern und Gross-eltern vor Leid und Not geflohen sind. Deren Erinnerungen sind noch ganz frisch. Und diese Kinder haben noch keine Spottlieder, die sie in den Himmel brüllen können.

Alex Capus

 

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