Grosse Erwartungen

Daniel Kissling, Kulturschaffender und Barkeeper. (Bild: M. Isler)
Daniel Kissling, Kulturschaffender und Barkeeper. (Bild: M. Isler)

Ich bin auf alles vorbereitet, auf bellende Hunde, knallhartes Verhör, Mann mit Einweg-Gummi- handschuh. Der dicke, afroamerikanische Grenzwächter fragt mich: «Reisen sie geschäftlich oder privat nach New York?» Ich erzähle ihm von Lukas, einem meiner Mitherausgeber des Narr (dessen Kolumnen aus dem Big Apple ihr im Stadtanzeiger vielleicht auch schon gelesen habt) und, dass wir ihn besuchen und uns dabei natürlich auch die Stadt anschauen wollen. Der Zöllner fragt: «Irgendwelche Geschenke dabei?» Ich verneine. Er: «Verdammt, Junge! Nicht einmal Schweizer Schokolade? Was bist du denn für ein Freund?» Geht man irgendwo hin, stellt man sich vorher vor, wie es dort sein wird, hat Erwartungen. Von New York sowieso, auch wenn man noch nie da war, weil man irgendwie doch schon da war, dank Filmen, Büchern, TV-Serien. Genauso von der Einreise in die USA. Geschürt von all den Berichten und all den Dokumenten, die ich vorher ausfüllen musste, erwartete ich Schlimmes. Und werde zu meinem Erstaunen mit Gelassenheit und Humor empfangen.
Als René, der dritte Narr-Herausgeber, und ich danach in der U-Bahn in die Stadt sitzen, diskutieren wir darüber. Eigentlich seien negative Erwartungen gar nicht so schlecht, sage ich, dann würde man schneller positiv überrascht. Mit Olten sei das ganz ähnlich, da erwarteten viele Besucher erst mal gar nichts beziehungsweise graue Tristesse. Und hätten umso mehr Freude an Holzbrücke, Aare, guten Menschen. «Olten ist ein amerikanischer Zollwächter», sagt René, der in seiner Tasche zwei Tafeln Ragusa, eine Flasche Perskindol und ein paar Narrs mitträgt, worüber er am Zoll kein Wort verloren hat.

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