«Oben und unten»
«Hat es oben genügend Schnee?», fragte mich die Verkäuferin an der Kasse des kleinen Lebensmittelgeschäfts in Fiesch, als ich in Skischuhen eine Tafel Schokolade bezahlte. «Es reicht gerade, ein halber Meter Neuschnee wäre aber nicht schlecht», antwortete ich. «Oben ist ja schon gut, aber unten muss es nicht mehr schneien, ich mag den Winter gar nicht», sagte die Frau. «Dann wohnen Sie aber am falschen Ort», bemerkte ich, im Wissen, dass es hier im Winter oft weiss ist. «Deswegen verreise ich im Januar jeweils für vier Wochen: Dom Rep!», sagte sie, als wäre dies eine Selbstverständlichkeit. «Aha», war mein knapper Kommentar. Ich war etwas perplex und es dauerte einen Moment, bis mein Gehirn aus «Dom Rep» die Wörter «Dominikanische Republik» formte. Ist ja schön, dass sich auch Verkäuferinnen die Karibik leisten können, dachte ich, als ich in meinen unförmigen Schuhen von dannen zockelte. Dabei wurde mir bewusst, dass wir zwei soeben die Klimaerwärmung erklärt hatten: Die unten fliegen zu häufig um den halben Globus, weshalb dann oben immer öfter zu wenig Schnee liegt. Tags darauf war ich im Goms auf Langlaufskis unterwegs. Es ging gegen Abend zu, ich war fast alleine in der winterlichen Landschaft. Ich genoss den Blick übers Land, die kalte Luft, den Rhythmus des Gleitens und bemühte mich um das innere und äussere Gleichgewicht. Unterwegs begann es ganz leicht, fast zaghaft, zu schneien. In solchen Momenten spürt man, dass es nicht viel braucht, um richtig glücklich zu sein. Ich schaute in den Walliser Himmel und sagte: «Lieber Gott, mach, dass hier im Winter immer genügend Schnee liegt!» Ich wüsste nicht, was ich im Januar vier Wochen lang auf «Dom Rep» machen sollte – mit Langlaufskis.