Zum 1. Mai
Cervelats und Wald, das bedeutete für mich der 1. Mai als ich Kind war und zwar mal in Wangen und mal in Oensingen, mal auf dem Born und mal am Rickenbacher Berg. Eine Tradition zusammen mit anderen Kindern und unseren Eltern, wobei es vor allem diese Eltern waren, die auf die Zusammenkunft bestanden. Im Kindergarten nämlich finden nicht nur Kinder Freunde, sondern auch deren Mütter und Väter.
Jedenfalls war das bei uns so und jedenfalls stand da «Kindergarten-Bräteln am 1. Mai» in der Familien-Agenda und während wir Kinder im Wald Schätze bargen, Burgen bauten und Kriege kämpften (und ich mir dank Heuschnupfen die Nase schnäuzte und die beissenden Augen rieb), tranken die Erwachsenen Weisswein, genossen die Sonne und das Leben.
Wer ebenfalls zum Fest eingeladen war, aber, wenn überhaupt, dann erst spät auftauchte: unsere ehemalige Kindergärtnerin. «Wo ist Frau Studer?», fragten wir, wenn sie eben nicht kam. «In Olten am Demonstrieren», antwortete dann einer der Erwachsenen. Ein paar Jahre später begriff ich, was Demonstrieren heisst und noch ein paar Jahre später, für was Frau Studer, die ich mittlerweile beim Vornamen nennen darf, damals immer am 1. Mai in Olten auf die Strasse und später in die Schützi ging und wenn ich sie heute treffe, sag ich, halb im Spass und halb ganz ernst, dass wohl sie es gewesen sei, die mich zum Revoluzzer hat werden lassen.