Essen und Öffentlichkeit
Jetzt bin ich das also, Politiker. Darüber nicht zu sprechen, bringt auch nichts, denn wissen tun es eh schon alle oder zumindest viele und über die Gratulationen hab ich mich aufrichtig gefreut. Über eine Postkarte zum Beispiel, die Grussworte knapp, das Bild vorne drauf umso prägnanter. Eine Wand in schwarz-weiss und drauf gesprayt: «Punks Not Dead». Kompliment einer-, Erwartung andererseits.
«Ab jetzt stehst du unter verschärfter Beobachtung», meint mein Freund Benj. Ich wink ab: «Mich kannte vorher schon die halbe Stadt, deswegen wurd ich ja gewählt.» Mehr Sitzungen, mehr Dossiers wälzen, aber sonst? Ein paar Tage später kam ein Stammgast, selbst Gemeinderat in spe, in die Bar, erzählte mir vom Besuch bei seiner Grossmutter. «Du, der Kissling. Ich hab den letztens mit einer am Bahnhof gesehen. Hat der eine Neue?», soll sie ihn gefragt haben.
Olten ist eine Kleinstadt, im Guten wie im Schlechten, und wenn ich, wie letzten Freitag beim Imbiss Orient an einem der drei Aussentischchen sitze, die sich ans Schaufenster drängen, und versuche, die so grosszügige wie köstliche Mixed Platte auszuputzen, und im 5-Minuten-Takt Bekannte vorbeikommen, die ich meinem Besuch als Freunde vorstellen kann, dann gefällt mir das. Wo sonst gibt es auf nicht mal 20’000 Einwohner (neben zugegeben vielen Kebaps) einen marrokanisch-syrischen Imbiss mit 5 Punkten auf TripAdvisor, das einzige tibetanische Restaurant im ganzen Mittelland oder eine Glace-Galerie, in der es neben den Standards auch Basilikum-, Alpenkräuter- und Bier-Glace in Kooperation mit einer von mehreren lokalen Brauereien zu probieren gibt? Jaja, auch Essen kann politisch sein. Und Trinken sowieso.