Ciao Gloria!
Es glänzt in verführerischem Violett, rollt auf soliden, weiss-gespritzten Speichen und hört bei uns zu Hause auf den Namen Gloria. «Hast du Gloria schon reingebracht?», frage ich abends die Jüngste. «Nein», bekomme ich zur Antwort, «ich fahre noch ein bisschen raus.» Gloria, müssen Sie wissen, ist ein Ciao. Eines jener eleganten Motorfahrräder der Marke Piaggio aus Italien, mit denen in den siebziger und achtziger Jahren alle Jugendlichen motorisiert waren. Zumindest der weibliche Teil von ihnen.Leider werden die Ciaos seit Anfang der neunziger nicht mehr hergestellt – was ihrer Popularität allerdings keinen Abbruch tut. In letzter Zeit sind sie gefragter denn je. «Kann ich ein Ciao haben», lag uns die Jüngste in den Ohren, kaum war sie 14 geworden. Natürlich konnte sie. Ich besass in diesem Alter selbst so ein Ciao, eines in knalligem Rot. Nie vergesse ich den Tag, als ich es beim Velo-Fries in Wangen abholen durfte: Mit einem Tritt warf ich den Motor an, gab Gas, fuhr mit hellem Sausen davon – und fühlte mich unglaublich italienisch! Später montierte mir Herr Fries einen Auspuff, dank dem mein Ciao schneller als die erlaubten
30 Stundenkilometer fuhr. Es trug mich viele Jahre treu zur Kanti, zu meinem Schülerjob im Autobahnrestaurant, überall hin.
Wer möchte seinem Nachwuchs solches nicht ebenfalls gönnen? «Gloria» hat uns ein halbes Vermögen gekostet, es hat über 13’000 Kilometer auf dem Buckel, und nur dank dem Können eines Velomechanikers in Kappel läuft das alte Ciao jetzt ohne Stottern. Doch das Freiheitsgefühl unserer Jüngsten ist grenzenlos. Wahrscheinlich bis zu ihrem 16. Geburtstag: Ab dann könnte sie eine Vespa fahren, auch Marke Piaggio. Und die gibt es neu zu kaufen...