Das Phantom
«Sigmund!», sagt der Älteste, «ich dachte, der heisst Leopold?» Verwundert gucke ich vom Rüsten auf. Der Älteste liest die Zeitungsseite, die meine Kartoffelschalen auffangen, und ist beim Bericht über den neuen Gestaltungsplan Olten SüdWest hängengeblieben. «Sigmund ist wahrscheinlich der Sohn von Leopold», antworte ich. «Aber einerlei: Der Besitzer heisst Bachmann. Und dass man den mal leibhaftig in Olten gesehen hat, grenzt an ein Wunder.» Mein Sohn hört mir nicht zu: Mit einer Falte zwischen den Brauen liest er den Bericht. «Da steht etwas von Win-win», schnaubt er, «dabei will der Bachmann doch bloss seine Wohnungen vermieten und Geld scheffeln!» Ein paar Zeilen später: «Und mit Wohnbaugenossenschaften will der bestimmt nichts zu tun haben! Da können ihn irgendwelche lebendigen Oltner Nachbarn löchern, solange sie wollen.» Dazu ist es nicht gekommen, denke ich. Der Herr musste ja vorzeitig wieder nach Zürich abrauschen.
«Am besten würde man in Olten SüdWest gar nichts mehr bauen», ereifert sich der Älteste. Ich: «Das hat unser Stadtdichter ebenfalls gesagt, und dein Papa übrigens auch.» Nun kommt unser Sohn in Fahrt: «Das ist die beste Idee überhaupt», ruft er, «stell dir vor: So ein riesiges Areal, sich selbst überlassen. Ein Paradies für Amphibien und Reptilien, für Heuschrecken, Pflanzen, Käfer, Insekten und Vögel! Eines der grössten Naturschutzgebiete des Mittellandes!» Mir geht dabei durch den Kopf, was der Bund neulich zum Artenschutz gemeldet hat: Ein Drittel der Arten ist bedroht, bei den Lebensräumen die Hälfte. «Du hast recht, das wäre spitze», antworte ich. «Doch die Biodiversität ist im Plan von Olten SüdWest leider ein Phantom. Genau wie der Bachmann.»