Waidmannsheil
«Ist er berggängig?» fragt der Jäger den Kurhauschef. Ob das nun Vorbehalte bezüglich des Direktors Freunden oder allgemeine Vorurteile gegenüber Unterländern sind, bleibe offen. Es geht um mich. Jagd ist angesagt. Eine weitere Bedingung des Bergüner Jägers: «Keine Trekking- schuhe, Bergschuhe!» Offenbar bin ich da, um Klischees zu erlegen. Bald wandern wir in Richtung Piz Ela. Ich als sein Schatten: geht er zügig, ziehe ich mit, wird er leiser, tue ich es ihm gleich, spiegelt er, versuche ich durchs Glas etwas zu erkennen, zückt er sein Gewehr, bleibt mir abwarten. Inzwischen ist es dunkel und in der Bergflanke vis-à-vis des bescheidenen Nachtlagers entdecke ich das Licht einer Stirnlampe. Ein Anruf klärt, ein Jagdkollege suche einen Hirsch, überzeugt davon, ihn angeschossen zu haben. Nach kurzer Nacht, einfachem z’Nacht und Jägerwunschkonzert am Radio machen wir uns mit auf die Suche nach dem verlorenen Stier. Über den Bergkamm ziehendes Wild hält uns auf. Zwischen goldenen Lärchen lauernd bleibt unsereins bald nur noch gross-artiges Hörspiel: Laut röhrende Hirsche und das Aufschlagen von Geweih zweier Konkurrenten. Das lässt hoffen, am Rande beteiligtes Getier überquere auf der Flucht die Asylgrenze und laufe dem Jäger vors Gewehr. Nix. Also suchen wir weiter, quer-hang-ein, rauf, runter und zurück. Es grüssen die Knie, das Tier bleibt verschollen. Da sind Haare, doch kein Blut. Womöglich traf er ihn nicht. Zu Hirsch kommen wir dennoch. Zu fünft sind wir schliesslich im selben Waldstück unterwegs und einer kommt zum Glück. Letzteres wird geteilt, letztlich frisch zubereitete Leber genossen und mir bleibt zuletzt ein ehrlicher Waidmannsdank.
