Der Aufschub

Daniel Kissling, Kulturschaffender und Barkeeper. (Bild: M. Isler)
Daniel Kissling, Kulturschaffender und Barkeeper. (Bild: M. Isler)

Von meinem Lieblingsphilosophen Jean-Paul Sartre gibt es einen Roman, der heisst «Der Aufschub». Er spielt während des 2. Weltkrieges, doch anstatt die Figuren voller Überzeugung zur Tat schreiten, sich sicher, was das Richtige ist, zögern und hadern sie. Sie schieben auf.

Gott sei dank befinden wir uns nicht im Krieg, doch aktuell ist der Roman trotzdem. Denn die Sache mit dem Aufschieben – wir alle tun es immer wieder. Ich schieb das WC-Putzen auf, bis mich einer meiner WG-Mitbewohner deswegen zusammenstaucht und meine Gäste schieben das Nachhausegehen auf, bis der letzte Zug fährt oder die letzte Runde verkündet wurde.

Auch in der Oltner Politik wird gerne aufgeschoben und zwar so sehr, dass ich hin und wieder nicht umhinkomme, mich in der Hauptstadt des Aufschiebens zu fühlen. Dieser Eindruck mag ungerecht sein. Wenn ich in den letzten Monaten etwas gelernt habe, dann wie viel Zeit politische Prozesse und Entscheidungen benötigen. Und trotzdem: Da spricht man über den Ländiweg und alle sind sich einig, dass es vorwärts gehen muss, aber warten wir doch bis zur Sanierung der Kantonsstrasse 2019 oder noch besser bis zur Neugestaltung des Bahnhofplatzes 2021 (oder 22 oder 23). Da finden alle einen modernen Spielplatz im Stadtpark etwas Gutes, aber beginnen wir doch erst übernächstes Jahr mit der Planung. Und wahrscheinlich braucht es für ein neues Schulhaus eine Steuererhöhung, aber lieber erst nächstes anstatt dieses Jahr. Abwarten kann durchaus Sinn machen. Manchmal, das hab ich auch schon erlebt, lösen sich Probleme von alleine. Hin und wieder kommt man ums Entscheiden jedoch nicht herum. Dann sollte man mutig sein, einfach mal ausprobieren. Schliesslich geht es nicht um Leben oder Tod.

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