1918.CH macht Staunen

<em>Daniel Kissling</em>, Kulturschaffender und Barkeeper. (Bild: M. Isler)
<em>Daniel Kissling</em>, Kulturschaffender und Barkeeper. (Bild: M. Isler)

Ich sitze in der alten Hauptwerkstätte der SBB und komme aus dem Staunen nicht mehr raus. «1918.CH», so lautet der schlichte Titel des Theaterprojekts zum 100-jährigen Jubiläum des Schweizer Landesstreiks. Mehrere Jahre Vorbereitung, rund 3 Millionen Franken Budget, über
100 Laienschauspieler/innen, ca. 30 Aufführungen mit jeweils gegen ein Dutzend freiwilliger Helfer/innen im Einsatz.

Also sitze ich in dieser umgebauten Eisenbahner-Halle und schaue und staune. Über die Schau- spieler/innen, die viel besser sind, als man beim Wort «Laie» erwarten würde. Über die Fülle an historischen Zitaten und Details, die ins Stück eingebaut wurden. Und als ich in die Garderobe beziehungsweise Kantine trete über meinen ehemaligen Fünftklasslehrer, der seinen Sommer opfert, um fast täglich die ganze Crew mit Essen zu versorgen.

Natürlich kann man die ganze Übung auch kritisch betrachten. Kann sich fragen, ob das Stück zu kompliziert ist. Kann sich fragen, ob hier linke Positionen propagiert werden. Kann sich fragen, ob so viele Kulturgelder von Kanton und Stadt für ein einmaliges Projekt gerechtfertigt sind.

Und trotzdem empfehle ich allen Oltnerinnen und Oltnern einen Besuch. Denn worüber ich am meisten staune, das ist der Ort selber. Über die Aufführungshalle, die gut und gerne 1000 Leute fassen könnte. Über die beiden Nebenhallen, in der eine Ausstellung und ein lauschiges Bistro Platz finden. Über den Innenhof, in welchem vor und nach der Show die Leute gemütlich beisammensitzen. Der zentralste Kultur- und Veranstaltungsort der Schweiz, er wäre ein Mammutprojekt, über das alle Oltnerinnen und Oltner, ob Theater-Fan, linke Socke oder eben nicht, staunen und vor allem stolz sein könnten.

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