Im Kampf gegen Menschenhandel

Ausstellung - Vergangene Woche wurde anlässlich der Woche gegen Menschenhandel die Ausstellung «High Heel Passenger» im Foyer des Stadthauses eröffnet. Wir haben nachgefragt, wieso Menschenhandel schwierig zu bekämpfen ist, und wie er konkret in Olten aussieht.

Stadträtin Iris Schelbert (v.l.), Katharina Schnöring, Leiterin des Koordinationsbüros der IOM in der Schweiz und Stadtpolizeikommandant Daniel Bürki eröffneten am vergangenen Donnerstag die Ausstellung «High Heel Passenger». (mim)

Stadträtin Iris Schelbert (v.l.), Katharina Schnöring, Leiterin des Koordinationsbüros der IOM in der Schweiz und Stadtpolizeikommandant Daniel Bürki eröffneten am vergangenen Donnerstag die Ausstellung «High Heel Passenger». (mim)

Die Ausstellung «High Heel Passenger» ist noch bis Donnerstag, 30. Oktober im Foyer des Stadthauses Olten zu sehen. (mim)

Die Ausstellung «High Heel Passenger» ist noch bis Donnerstag, 30. Oktober im Foyer des Stadthauses Olten zu sehen. (mim)

Vergangenen Donnerstagabend begrüsste Polizeikommandant Daniel Bürki, Vertreter der Kriminalpolizei, Politiker, Staatsanwälte und Interessierte zur Eröffnung der Ausstellung «High Heel Passenger», welche noch bis Donnerstag, 30. Oktober im Foyer des Stadthauses Olten gezeigt wird. Organisiert wurde die Ausstellung von der Internationalen Organisation für Migration (IOM).

Ausstellung im Foyer des Stadthauses

Bereits im letzten Jahr beteiligte sich die Stadtpolizei Olten im Rahmen der Woche «Die Schweiz gegen Menschenhandel» vom 18. bis 25. Oktober 2013 mit einer Veranstaltung im Kino Lichtspiele. Der Dokumentarfilm «Anna in Switzerland» von Regisseurin Chantal Millès thematisierte die Geschichte von Anna, die in der Schweiz ein Opfer von Menschenhandel wurde. Anschliessend diskutierten Fachpersonen im Rahmen eines Podiums über das Thema Menschenhandel und deren nicht einfache Bekämpfung. Neben dem Film wurden anlässlich der Woche «Die Schweiz gegen Menschenhandel» 18 kulturelle Veranstaltungen in 12 verschiedenen Kantonen durchgeführt. Das interaktive Kunstprojekt «High Heel Passenger» legte den Fokus auf die Sensibilisierung Jugendlicher und fand in zwei Teilen statt. Der erste Teil des Programms bestand aus einem technischen Input eines Experten für Menschenhandel der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sowie der Aufklärung durch einen Experten der Fremdenpolizei der Stadt Bern, welche den Jugendlichen den Menschenhandel anhand konkreter Fälle in der Stadt Bern aufzeigten. In einem zweiten Teil brachten die mehr als 150 Schüler/innen aus den Regionen Bern und Zürich auf spielerische und künstlerische Art und Weise ihre Eindrücke zum Thema Menschenhandel aufs Papier. Diese Bilder werden nun anlässlich der diesjährigen Wochegegen Menschenhandel, welche vom 13. bis zum 20. Oktober stattgefunden hat, in der Ausstellung «High Heel Passenger» in Olten gezeigt. Weitere Veranstaltungen fanden zudem in Bern, Fribourg und Genf statt. Der Stadtanzeiger hat bei der Leiterin des Koordinationsbüros der IOM in der Schweiz, Katharina Schnöring, nachgefragt, wie sich Menschenhandel auf nationaler Ebene zeigt und sich bei Stadtpolizeikommandant Daniel Bürki nach dem Menschenhandel inOlten erkundigt.

Katharina Schnöring, wo und inwelchen Branchen in der Schweizist Menschenhandel zu finden?

Katharina Schnöring: Menschenhandel geschieht oft im Verborgenen. Es ist nicht möglich genaue Angaben zu machen, es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass neben dem Sexgewerbe auch die Landwirtschaft,private Haushalte, das Bau-, Hotel-, Pflege- und das Gastronomiegewerbe betroffen sind.

Wie viele Fälle von Menschenhandel in der Schweiz sind vom letzten Jahr bekannt?

K.S.: In der Polizeilichen Kriminalstatistik des letzten Jahres wurde die Straftat Menschenhandel 61 Malregistriert. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Dunkelziffer eindeutig höher ist. Im Jahre 2012 schätzte die Bundespolizei (fedpol) die Anzahl in der Schweiz lebender potenzieller Opfer von Menschenhandel auf2000 bis 3000.

Wieso ist es so schwierig, gegenMenschenhandel vorzugehen?

K.S.: Menschenhandel ist ein Phänomen, welches sich vor allem im Verborgenen abspielt. Es ist daher schwierig, einen Zugang zu den potenziellen Opfern zu finden. Oft werden die Opfer durch die Täterschaft isoliert und unter Druck gesetzt und die Täter sind oft die einzigen Bezugspersonen für die Opfer. Hinzukommt, dass die Opfer von Menschenhandel regelmässig durch falsche Versprechungen und/oder Täuschung von den Menschenhändlern in ihrem Heimatland rekrutiert wurden und erst spät bemerken, dass sie Opfer einer Straftat geworden sind. In vielen Fällen jedoch sehen sich die betroffenen Personen nicht als Opfer, sondern glauben, eine reelle Schuld abzahlen zu müssen. Weiter wird teilweise die Familie des Opfers im Heimatland bedroht, um den Druck auf das Opfer zu erhöhen. Daher gibt es auch fast keine Fälle, in welchen ein potenzielles Opfer selbst um Hilfe bittet. Des Weiteren ist zu erwähnen, dass es sehr schwierig ist, den Menschenhandel als solchen nachzuweisen. Der Menschenhandel ist ein Prozess, welcher in der Regel mit der Rekrutierung im Heimatland beginnt, den Transport ins und die Ausbeutung im Zielland beinhaltet. Für die Strafverfolgungsbehörden ist es eine grosse Herausforderung im Rahmen eines Verfahrens, den gesamten Prozess nachweisen zu können, weshalb es nur zu wenigen Verurteilungen kommt. Zudem ist die Täterschaft national und international sehr gut vernetzt und äusserst anpassungsfähig. Daher ist die Vernetzung der Akteure, welche auf dem Gebiet der Bekämpfung des Menschenhandels arbeiten, zentral für deren Erfolg.

Was für Möglichkeiten hat die IOM, um den Menschenhandel zubekämpfen?

K.S.: Die IOM arbeitet seit 1994 auf dem Gebiet der Bekämpfung des Menschenhandels. Die Hauptziele der IOM sind das Vorbeugen von Menschenhandel und den Opfern angemessenen Schutz zu bieten sowie ihre allfällige Rückkehr und Wiedereingliederung im Heimatland zu unterstützen. Auf dem Gebiet der Präventionsarbeit führt die IOM Informationskampagnen in verschiedenen Ländern durch, um die Bevölkerung sowie spezielle Gruppen, die von Menschenhandel betroffen sind, bezüglich Menschenhandel zu informieren und aufzuzeigen, was man dagegen machen und/oder wie man sich davor schützen kann. Die IOM arbeitet auch eng mit staatlichen und nicht staatlichen Akteuren zusammen. Die Vernetzung im Kampf gegen Menschenhandel soll gefördert werden und die jeweiligen Akteure werden in der Ausarbeitung und der Umsetzung von Strategien gegen Menschenhandel unterstützt. Die IOM bietet auch direkte Unterstützung für Opfer von Menschenhandel. In der Schweiz implementiert die IOM das Rückkehrhilfeprogramm für Opfer von Menschenhandel. Im Rahmen dieses Programms ermöglicht die IOM den betroffenen Personen ihre freiwillige und sichere Rückkehr in ihr Heimatland sowie deren Wiedereingliederung vor Ort. In anderen Ländern bietet die IOM jedoch auch Schutzwohnungen für betroffene Personen und unterstützt diese medizinisch und psychisch, falls nötig und erwünscht.

Kann auch der einzelne Bürger etwas gegen Menschenhandel unternehmen?

K.S.: Ja, jeder einzelne Bürger kannetwas gegen Menschenhandel tun. In erster Linie ist es wichtig, sich zu informieren und die Mechanismen und Ausbeutungsformen des Menschenhandels zu kennen. Jeder einzelne Bürger kann so in der Lage sein die zuständigen Stellen zu informieren, falls er/sie den Verdacht schöpft, eine Situation angetroffen zu haben, welche mit Menschenhandel in Verbindung gebracht werden könnte. Des Weiteren können die Bürger/innen ihr Konsumverhalten so anpassen, dass die Nachfrage nach Dienstleistungen und Produkten, welche mit Menschenhandel in Verbindung gebracht werden könnten, reduziert wird. Um es in der Terminologie der Wirtschaft auszudrücken, kann man sagen, dass mit einer Abnahme dieser Nachfrage selbstverständlich auch das Angebot, in diesem Fall in die Schweiz gehandelte Personen, abnehmen wird. Ein Projekt von IOM in diesem Sinne ist die «Buy Responsible Campaign» (www.buyresponsibly.org), welche versucht, Konsumenten zu sensibilisieren, welche Güter sie kaufen und zu hinterfragen, wie sie hergestellt wurden.

Daniel Bürki, welche Organisationen sind in Olten im Kampf gegen den Menschenhandel involviert?

Daniel Bürki: Am kantonalen runden Tisch sind die Strafverfolgungsbehörde (Kriminal- und Sicherheitspolizei, Staatsanwaltschaft), die Opferhilfe Aargau/Solothurn, die Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration FIZ und Lysistrada Olten vertreten.

Wo zeigt sich der Menschenhandel in Olten?

D.B.: Am augenscheinlichsten besteht in Olten die Gefahr von Menschenhandel im Sexgewerbe, sowohl auf dem Strassenstrich als auch in Etablissements. Menschenhandel kommt jedoch auch im Bereich der Arbeitsmigration vor, wo er jedoch meist noch schwieriger erkennbar ist.

Was kann die Stadtpolizei dagegen tun und wo sind Grenzen gesetzt?

D.B.: Die Schwierigkeit liegt darin, dass das Opfer oft im Abhängigkeitsverhältnis zum Täter steht. Es würde helfen, wenn sich einzelne Polizisten auf den Bereich Menschenhandel, beziehungsweise das Sexgewerbe konzentrieren und somit immer dieselben Gesichter bei den Kontrollen und Patrouillen zu sehen sind. Somit könnte anhand von Gesprächen ein Vertrauensverhältnis zu den potenziellen Opfern aufgebaut werden. Wichtig ist es, Opfer von Menschenhandel möglichst frühzeitig zu erkennen. Wenn jedoch die Opfer, aus welchen Gründen auch immer, sich nicht mitteilen, ist dies für unser Handeln sehr erschwerend, wobei der Opferschutz stets im Vordergrund steht. Deshalb ist es umso wichtiger die Bevölkerung zu sensibilisieren, weshalb wir uns ein weiteres Mal an der Woche «Die Schweiz gegen Menschenhandel» mit der Präsentation der Ausstellung im Foyer des Stadthauses beteiligt haben.

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