«Frauen sind intelligenter»

Stadtbibliothek Olten Der Leiter der Stadtbibliothek, Christoph Rast, geht heute in Pension - nach 39 Jahren. Ein Gespräch über Lebensinhalte, Zeit und den Buchmarkt.

Christoph Rast hat nach seiner Pensionierung etwas mehr Zeit für Ausflüge und eigene Projekte. (Bild: mim)
Christoph Rast hat nach seiner Pensionierung etwas mehr Zeit für Ausflüge und eigene Projekte. (Bild: mim)

Etwa 80% freue er sich und 20% habe er ein mulmiges Gefühl, antwortet Christoph Rast auf die Frage, wie es ihm so kurz vor seiner Pensionierung ergehe. «Meine privaten und beruflichen Interessen sind mehrheitlich dieselben. Zudem habe ich die letzten 39 Jahre quasi in dem Haus, in welchem die Stadtbibliothek untergebracht ist, gewohnt», lacht Rast. Eine Arbeitswoche von 55 Stunden sei normal gewesen, auch deshalb, weil die privaten und geschäftlichen Interessen so nah beieinander liegen», erzählt der Bibliothekar.

Von Trends und Strömungen
«Ich habe im Leben einiges verpasst. Bin beispielsweise nie an einem schönen Wochenendtag nach Luzern gefahren, um dort zu flanieren», stellt Rast unaufgeregt und nüchtern fest. Trotz der erschütternden Aussage gewinnt man nicht den Eindruck, dass der Stadtbibliothekar unglücklich ist oder wirklich das Gefühl hat, etwas verpasst zu haben. «Ich habe das Leben in die Stadtbibliothek geholt», erklärt Rast sogleich. Er habe durch die jeweilige Buchauswahl der Leute viele sehr persönlich kennen gelernt, obwohl er die Personen nicht kannte. Zudem habe er ein Leben stets am Puls von Strömungen und Trends geführt. Ob er einige grössere Strömungen nennen könne? «Seit Längerem boomt die vegane Ernährung. Es waren über die Jahrzehnte aber auch Themen wie Psychologie, Kommunikation, Pilates oder Stricken. Auch die lokale Geschichte war für eine gewisse Zeit wieder interessant. Bei den meisten Trends erlöscht das Interesse jedoch schnell wieder», erklärt Christoph Rast. «Aber aufgrund dieser Strömungen war ich stets orientiert darüber, was die Gesellschaft bewegt.»

Keine einfache Kindheit
Wegen des Jobangebots, den Walter Verlag in Olten zu leiten, zog Joseph Rast mit seiner Familie von Zürich nach Olten. Damals publizierte der Walter Verlag neben Büchern auch Zeitungen und Wochenzeitschriften, was Christoph Rast früh mit dem geschriebenen Wort in Berührung kommen liess. Auch seine Mutter Josephine Rast-Carigiet pflegte einen Freundeskreis, in welchem sich spannende Literaten und Persönlichkeiten die Türklinke in die Hand gaben. «Schon immer habe ich Menschen als extrem spannend empfunden, wobei die Frauen meiner Meinung viel spannender, intelligenter und zäher sind als wir Männer», betont Rast. Seine Mutter, im Herz Bündnerin, erteilte psychologische Beratungen an der HPS und unterrichtete an der Schule für Krankenschwestern. «Meine Bezugspersonen, als kleiner Junge, waren jedoch meine Kindermädchen», erzählt Rast.

Ein Schlag ins Gesicht
Als kleiner, schmächtiger Junge wurde Christoph Rast, unter anderem wegen seines Asthmas, im Alter von 13 Jahren ins Internat, ans Kollegium Spiritus Sanctus Brig, geschickt. «Keine einfache Zeit in einem Massenschlag, in einem damals archaischen Internat mit viel Drill und Disziplin. Wir mussten um 5.15 Uhr aufstehen und danach war jede Minute durchgeplant», erinnert sich Christoph Rast und fügt schmunzelnd an: «Daher kam meine Zeit im Militär einem Ferienausflug gleich.» Ein Schlag auf die Nase eines Schulkollegen, welchen Rast noch heute nicht erklären kann, sorgte jedoch für eine «hänseleifreie Zeit» im Wallis. Nach Abschluss seiner Schulzeit im Internat in Brig absolvierte Christoph Rast die Buchhändlerlehre und studierte danach berufsbegleitend Bibliothekswissenschaften und Literatur an der Universität Bern, wo er auch wohnte. Eines Tages, als Christoph Rast auf dem Weg von Zürich nach Bern war, stieg er in Olten aus und fragte in der Stadtbibliothek an, ob eine freie Bibliotheksstelle vorhanden sei. Dies sollte der Anfang einer fast 40-jährigen Zeit in der Stadtbibliothek Olten sein. Müde vom Pendeln zog Rast 1979 nach Olten. «Zurück in Olten musste ich mich neuorientieren, denn von meiner Generation wohnte kaum noch jemand in der Eisenbahnerstadt», erinnert sich Rast zurück.

«Das Lesen stirbt nicht»
Ob es für ihn nie eine Option gewesen sei, den Walter Verlag von seinem Vater zu übernehmen? «Das hätte ich sehr gerne, auch würde es mich heute noch «gluschten», einen Kleinverlag zu leiten, doch bereits damals war die Branche sehr unsicher», so Rast. Wie er die Zukunft des Buchmarktes beurteile? «In diesem Jahr sind im deutschen Sprachraum 96'000 Bücher erschienen, dies ist für mich ein Indiz, dass das Lesen, welches so oft totgesagt wurde, nicht aussterben wird, aber die Mittel werden sich verändern. Ich bin jedoch eher der Meinung, dass die Handschrift aussterben könnte. Zudem denke ich, dass das Buch aufgrund des dreidimensionalen, räumlichen Erlebnisses ein Revival erleben wird. Trotzdem wird die Zukunft für Bibliotheken und Buchhandlungen schwierig werden.» So auch für die Stadtbibliothek Olten, die im kommenden Jahr unter der Leitung der langjährigen Mitarbeiterin Sibylle Scherer weitergeführt wird. Dies jedoch nicht ohne Einschränkungen, da die Sparmassnahmen der Stadt eine 50%-Pensumreduktion zur Folge haben, welche wiederum die Öffnungszeiten beeinflussen wird. Demnächst soll die Stadtbibliothek ausserdem einen neuen Schritt ins elektronische Zeitalter begehen, dies mit der Einführung von E-Books.

Keine Langeweile in Sicht
Im Mai wären es 40 Jahre geworden, die Christoph Rast in der Stadtbibliothek tätig war. Eine lange Zeit und doch: «Wenn ich nochmals zurückkönnte, würde ich mich wieder für dasselbe Leben entscheiden, denn es war unterhaltsam, lehrreich und bunt.» 2006 rief Christoph Rast das Café Littéraire ins Leben, organisierte daneben aber auch unzählige literarische und historische Veranstaltungen, sowie Buchvernissagen, die nicht direkt unter dem Patronat der Stadtbibliothek standen. Zudem trifft er sich einmal im Monat mit seiner einstigen Studentenverbindung, um über Gott und die Welt zu diskutieren. «Nach dem Studium ist man ein Altherr und die treffen sich regelmässig. «Virtus Scientia Amicitia» ist eine Art Debattierklub. Neben Aufräumarbeiten in der Stadtbibliothek in den nächsten Monaten wird sich Christoph Rast im kommenden Jahr einigen Buchprojekten widmen. Ausserdem wird er in alte Zeiten zurückkehren und für eine Woche sein einstiges Internat besuchen, um gemeinsam mit einer Schulklasse über das einstige und heutige Leben im Internat in Brig zu reden. Und wie sieht es mit Reisen aus? «Neben Aufenthalten im Tessin war ich einige Male in Marseille (F), dessen kultureller Mix und Schnelligkeit mich fasziniert haben. Ich könnte mir durchaus vorstellen, eine gewisse Zeit da zu wohnen.» Zudem hat Rast die Idee, einen Debattierklub ins Leben zu rufen und die verpassten Ausflüge, beispielsweise nach Luzern, nachzuholen.

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