Demokratie - eine starke Führung

Gemeindeordnung: In Olten wird seit längerem über eine neue Gemeindeordnung diskutiert. Zurzeit werden dem Parlament zwei Varianten vorgelegt. Der Demokratieforscher Dr. Oliver Dlabac rät Olten eher zu kleinen Anpassungen.

Die Gemeinde steht den Bürgern als unterste, staatliche Institution am nächsten. (Bild: Archiv)

Die Gemeinde steht den Bürgern als unterste, staatliche Institution am nächsten. (Bild: Archiv)

Die Oltner Gemeindeordnung blieb seit 15 Jahren unverändert. Im vergangenen Mai ging die vom Parlament eingesetzte Spezialkommission mit dem Entwurf für eine neue Gemeindeordnung in die öffentliche Vernehmlassung. Die Schwerpunkte dieser sind erstens die Beibehaltung oder die Reduktion der Anzahl Exekutivmitglieder (Stadträte) auf drei, welchen dann zukünftig auch nur drei Direktionen vorstehen würden. Zweitens die Beibehaltung des 50-köpfigen Gemeindeparlaments oder eine Kürzung auf 40 und drittens die Streichung der ständigen ausserparlamentarischen Kommissionen. Anstelle derer sollten nichtständige Beratungsgremien ohne vorgeschriebene Zusammensetzung eingesetzt und auch wieder aufgehoben werden können. In den Parlamentssitzungen vom 23. und 24. September sollen sich die Politiker für eine Version entscheiden. Diese wird dem Oltner Volk noch in diesem November vorgelegt und würde bei einer Annahme im August 2017 in Kraft treten.

Doch welche Zusammenstellung ist im Auftrag der Demokratie am sinnvollsten? Der Demokratieforscher Dr. Oliver Dlabac spielte mit dem Stadtanzeiger alle Varianten durch. Er arbeitet im Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA) und als Lehrbeauftragter am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Zürich mit dem Schwerpunkt Demokratie in den Gemeinden.

Gratwanderung zwischen Repräsentativität und Gewinn an Effizienz

Die Verkleinerung des Parlaments von 50 auf 40 Mitglieder bringe wahrscheinlich kaum den gewünschten Effekt, schneller zu einer Entscheidung zu gelangen, so Dlabac. Tendenziell gilt, je grösser das Parlament desto besser repräsentiert das Gremium die Bevölkerung. Bei 40 Mitgliedern hätten Splittergruppen weniger Chancen vertreten zu werden, somit gehen Argumente verloren, doch ob die Parlamentsdebatten wirklich viel zielführender verlaufen, sei nach dem Politologen fraglich. Effizienzfragen stellen sich viel mehr im Zusammenhang mit der Organisation der Exekutive und der Verwaltung. Während das Parlament die Aufgabe hat, die Bürgerinnen und Bürger möglichst breit zu vertreten, ist es wichtig, dass die Exekutive ihre politische und administrative Führungsaufgabe wirksam wahrnehmen kann.

Statt fünf Stadträte drei Vollzeitämter

Drei Stadträte im Vollzeitpensum findet Dlabac ein bemerkenswertes Vorhaben. Dies wäre in der Deutschschweiz ein Novum, welches sich durch die besonderen Umstände Oltens (Verlagerung von Sozial- und Polizeiwesen auf regionale beziehungsweise kantonale Ebene) erklärt. In der schweizweiten Gemeindeschreiberbefragung von 2009 haben lediglich sechs Genfer Städte (über 10’000 Einwohner) angegeben, über eine Exekutive mit lediglich drei Sitzen zu verfügen. Die Stadt Genf selber zählt fünf Stadträte und alle anderen Städte haben ebenfalls mindestens fünf Exekutivsitze (mehrheitlich fünf, manchmal sieben oder neun). Es kann vorteilhaft sein, wenn nicht nur der Stadtpräsident im Vollpensum tätig ist, welcher dann oft den «Karren» allein ziehen muss. Bei drei Vollämtern statt einem mit vier Teilzeitämtern entstehe vielleicht mehr Teamarbeit, so der Politologe. Doch auch hier gehe die Reduktion auf Lasten der Meinungsvielfalt. Das damit verbundene Zusammenfassen der fünf Direktionen (Bau, Finanzen und Informatik, Soziales, Öffentliche Sicherheit, Bildung und Sport) auf drei, könne den Vorteil haben, dass man diese mehr vernetze und gemeinsame Ressourcen nutze oder den Nachteil, dass der Verantwortliche den Überblick verliere sowie zu fest in seine Ressorts vertieft sei, sodass gar nicht mehr über den eigenen Zaun hinaus geblickt wird. Wenn der Stadtrat mehr Freiheit und mehr Flexibilität bei der Einsetzung beratender Kommissionen wünscht, dann ist dies gemäss Dlabac gut und recht. Schliesslich geht es darum, dass die Kommissionen dem Stadtrat einen möglichst guten Dienst tun.

Neuer Trend in der Demokratie

Gerade in deutschsprachigen Ländern gilt es, das Konzept einer starken Führung vom negativen Image zu befreien. Während in Europa die Bürgermeister vielerorts gestärkt werden, um die Bevölkerung und die Verwaltung für zukunftsgerichtete, themenübergreifende Initiativen zu gewinnen, wird Demokratie in der Schweiz allzu oft mit Kontrolle und punktuellen (Volks-)Initiativen gleichgesetzt. Inwiefern ein Dreiergespann in der Oltner Exekutive zu einer stärkeren Führungsrolle verhelfen könnte, als dies in der jetzigen Konstellation möglich ist, kann laut dem Politologen schwer vorausgesagt werden. Auf alle Fälle müsse bei einer Reorganisation sichergestellt werden, dass dem Milizparlament wirksame Instrumente und Kommissionen zur politischen Mitgestaltung und Kontrolle der Verwaltungstätigkeit zur Verfügung stehen. Eine starke Führung muss Hand in Hand mit demokratischer Kontrolle gehen. Welcher Weg für Olten am besten ist, wird das Parlament sowie das Volk bald entscheiden.

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