Eine Kulturfachstelle für Olten!?

Abstimmung Am Sonntag, 4. März stimmt die Oltner Bevölkerung für oder gegen die Schaffung einer «Fachstelle Kultur» ab. Die Oltner Künstlerin und Slam Poetin Lisa Christ äussert sich für die Pro-Seite während sich Gemeinde- und Kantonsratsmitglied Matthias Borner für die Kontra-Seite ausspricht.

Am Sonntag, 4. März stimmt die Oltner Bevölkerung über die Schaffung einer Kulturfachstelle ab. (Bild: mim)
Am Sonntag, 4. März stimmt die Oltner Bevölkerung über die Schaffung einer Kulturfachstelle ab. (Bild: mim)

Im Mai reichte der Verein Pro Kultur Olten mit 564 Unterschriften die Initiative zur Schaffung einer Kulturfachstelle in Olten ein. Die Idee ist nicht neu, so wurde doch bereits im November 2004 in einem Massnahmenplan des erarbeiteten Kulturförderungskonzeptes eine Kulturfachstelle aufgeführt. Der Volksinitiative wurde schliesslich im vergangenen September mit 19:17 Stimmen zugestimmt und damit der Stadtrat verpflichtet, eine konkrete Vorlage auszuarbeiten.

Kulturfachstelle Olten

Eine solche Kulturfachstelle, welcher der Direktion Präsidium angegliedert würde, soll eine beratende Funktion für die Stadt Olten übernehmen, Vernetzung und Kommunikation für Veranstaltende und Kulturschaffende übernehmen und zudem eine unbürokratische Anlaufstelle für neue Formate und Ideen sein. Mit der stetigen Aktualisierung der städtischen Webseite und als Ansprech-person für Auswärtige soll die Kulturstadt Olten auch gegen Aussen wirken. Zudem wäre es ein Auftrag der Kulturfachstelle, Hilfestellungen bei Unterstützungsgesuchen zu bieten und Leistungsvereinbarungen mit Empfängern auszuarbeiten. Die Lohnkosten für ein
60%-Pensum betragen 78’000 Franken jährlich. Hinzu kämen in der Höhe nicht voraussehbare Kosten durch neue Tätigkeiten und Projekte, schrieb der Stadtrat in seiner Pressemitteilung vom 29. November. Der Stadtrat äusserte sich zwar positiv zur Idee und erachtete die Ausführung
der Aufgaben im Kulturbereich als sinnvoll, hielt jedoch dagegen, dass aufgrund der finanziellen Situation und des Bevölkerungszuwachses die Aufgabenerfüllung in vielen Bereichen an ihre Grenzen stosse. An der Parlamentsversammlung vom 14. Dezember wurde die «Fachstelle Kultur» mit 18:16 Stimmen bei vier Enthaltungen abgelehnt, weshalb nun am 4. März das Volk entscheidet. Inzwischen haben sich auch die Parteien zur Kulturfachstelle geäussert, so unterstützen die Grünen, SP und «Olten Jetzt!» die Initiative. Die bürgerlichen Parteien sind gegen eine Kulturfachstelle. mim

 

Pro und Kontra zur «Kulturfachstelle Olten»

 

Pro von Lisa Christ: "Für eine Fortbewegung Richtung Kulturstadt"

Lisa Christ aus Olten ist Künstlerin, Slam Poetin und hat 2017 ihr Masterstudium
in Kunstvermittlung abgeschlossen.

Wieso in aller Welt, sollte jemand, der bei klarem Verstand ist, sich freiwillig dazu entschliessen, in Olten zu leben? Diese Frage steht jedem Gegenüber nach Nennung meines Wohnortes unmiss- verständlich ins Gesicht geschrieben – und ich kann es ihnen nicht mal übel nehmen. Für sie ist Olten Bahnhof, Baslerkreuzung, Ländiweg. Abgesehen von der Holzbrücke und der Altstadt eher unansehnlich.
Was sie nicht sehen, ist das, was Olten antreibt und zu einem lebendigen Ort macht. Das, was sich hinter den faden Häuserfassaden versteckt: Die sich engagierenden, kreativen Köpfe, die sich wahnwitzige Projekte ausdenken und sie dann, ohne Rücksicht auf Verluste, umsetzen: Der eigentliche Antrieb, ja der Motor Oltens. Das sind Leute, die sich neben ihrem reichlich gedrängten Zeitplan ehrenamtlich starkmachen und organisieren, für ein vielfältiges und breitgefächertes Kulturangebot in einer Stadt, deren Aushängeschild nichts Anderes ist, als die vielen Talente, die ihr entsprungen sind.
Dass sich nun schweizweit etablierte Schriftsteller und Älteste des Kulturfilzes gegen eine Fachstelle aussprechen, die dazu dienen würde, genau diesen Motor am Laufen zu halten und für eine reibungslose Fortbewegung Richtung Kulturstadt zu sorgen, erscheint mir rückwärtsgewandt. Zudem lässt sich eine strukturelle Unterstützungseinrichtung aus einer erfolgreichen Position leicht ablehnen. Nein sagen ist schliesslich immer einfacher, als etwas Neues zu wagen, das kennen wir in der Schweiz ja. Natürlich liegt im Progressiven auch immer die Gefahr des Scheiterns – doch eine Möglichkeit zur Weiterentwicklung mit dem Argument des «Bisher ging’s ja auch ohne» abzutun, ist reichlich unüberlegt. Würden wir dieser Beweisführung folgen, gäbe es überhaupt keinen Fortschritt.
Eine Kulturfachstelle ist, in meinen Augen, für eine Stadt wie Olten eine Option zur Qualitäts- sicherung und -förderung, die wir uns nicht entgehen lassen sollten. Das Potenzial von kreativ Schaffenden zu nutzen und im Kulturbereich tätige Leute unterstützend zu begleiten ist eine Aufgabe, die, wenn sie gemeistert wird, dazu beiträgt, dass Olten endlich nicht mehr nur für mich, sondern auch für alle anderen als das bekannt ist, was sie ist und bleiben soll: Eine kulturell hochaktive, spannende und lebhafte Stadt, die ich jeder anderen vorziehe.

 

Kontra von Matthias Borner: "Kultur fördern- nicht verwalten!"

Matthias Borner aus Olten ist Mitglied der SVP. Er gehört seit 2012 dem Oltner
Gemeinderat an und ist seit 2017 Kantonsrat.

Das kulturelle Angebot einer Stadt ist ein wichtiger Bestandteil, welcher zur Lebensqualität aller beiträgt. Daher bin ich auch Mitglied von pro Kultur Olten. Ich bringe dem Ansinnen dieser Gruppe, Kultur zu fördern und zu den Leuten zu tragen, grosse Sympathie entgegen. Gegenüber einer städtischen Kulturfachstelle bin ich hingegen äusserst skeptisch eingestellt.
Kultur soll man fördern und nicht verwalten. Kreativität und Bürokratie vertragen sich nicht gut. Momentan sind die Aufgaben dieser angestrebten Kulturfachstelle auf mehrere Leute verteilt. Kultur soll unpolitisch sein. Wenn man einer Person zu viel Macht gibt, besteht die Gefahr von langfristigen Seilschaften und so wird die Kulturlandschaft einseitig. Politiker können abgewählt werden, doch so eine Kulturbeauftragte kann 25 Jahre und länger im Amt bleiben. Kultur lebt von Erneuerung und Kreativität, was sich mit Bürokratie nur schwer verträgt.
Ein weiterer negativer Punkt sind die unklaren finanziellen Auswirkungen. Die Lohnkosten sind das eine, aber man kann davon ausgehen, dass diese Person im Amt nicht auf Telefonate warten, sondern bald einmal Projekte mit weiterem Finanzbedarf anstreben wird, welche dann gar bisherige Projekte konkurrenzieren. Wenn Bedarf für neue kulturelle Angebote besteht, kann dieser über Leistungsvereinbarungen oder übers Budget gelöst werden, welche sich dem Zeitgeist besser anpassen lassen. Dazu braucht es keine Fachstelle.
Ich empfehle jedem, selber zum Kulturförderer zu werden. Ich staune immer wieder, wie sich Leute lautstark für Kultur aussprechen, dieselben man aber kaum an lokalen Kulturanlässen antrifft. Geht an diese Anlässe und lernt die Leute kennen und setzt Euch mit ihrem Schaffen auseinander! Ich suche mir auch mal bewusst völlig Neues aus. Selbst bei einem Reinfall hat man etwas zum Erzählen und lernt Leute kennen, die sich so was ansehen oder anhören, was es wiederum interessant macht. Kultur lebt nicht nur von den Kulturschaffenden, sondern auch vom Publikum und den Reaktionen. Diese Form der Anerkennung ist viel wichtiger und ist ein Ausdruck der Wertschätzung, den man den Kulturschaffenden entgegenbringt. Eine amtliche Stelle kann diese nicht ersetzen.

 

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