Der Parlamentspräsident mit dem Kapuzenpulli

Parlamentspräsident Heute Abend Donnerstag, 21. Juni um 18.15 Uhr wird Ruedi Moor ein letztes Mal als Präsident mit der Handglocke die Parlamentssitzung eröffnen.

Mit seiner freundlichen und humorvollen Art politisiert Ruedi Moor seit 12 Jahren im Oltner Gemeindeparlament. (Bild: ZVG)
Mit seiner freundlichen und humorvollen Art politisiert Ruedi Moor seit 12 Jahren im Oltner Gemeindeparlament. (Bild: ZVG)

Ruedi Moor, seit 12 Jahren Parlamentsmitglied der Stadt Olten, stammt aus einer politisch aktiven Familie. «Ich habe früh gelernt, dass man auch unterschiedliche Meinungen haben darf», erzählt Moor und fügt vielsagend an: «Mein Vater war ein strammer «SPler». Meine Mutter hingegen stammte aus einer katholischen Familie und war als Kirchenchorpräsidentin eher der christlichen Partei zugewandt. Da waren Diskussionen am Familientisch vorprogrammiert.» Moor selber hat während seines Physik-Studiums an der Universität Bern mit dem aktiven Politisieren begonnen.

Ein spannendes Jahr

Ruedi Moor blickt auf ein spannendes Jahr zurück. «Durch die Verkleinerung des Parlaments auf 40 Mitglieder und der veränderten Zusammensetzung mit vielen neuen Gesichtern war es spannend zu sehen, wie sich das Parlament im Laufe des Jahres entwickelte», erzählt der
64-Jährige. «Die neuen Mitglieder sind mit viel Enthusiasmus an die Arbeit gegangen, um gewisse Punkte aus ihrer Sicht zum Besseren zu bewegen. Naturgemäss und nicht überraschend mobilisierte dies ziemlich schnell eine Gegenbewegung. Mit anzusehen, wie die Gegenbewegung, die selten parteibezogen war, sondern von der SP bis zur Stadtverwaltung reichte, «aus dem Busch gekommen ist», war spannend», so der für seinen Witz bekannte Parlamentspräsident.
Auf die Frage, ob es nicht auch anstrengend gewesen sei, Polit-Neulinge im Parlament zu haben, meint Moor gelassen: «Keineswegs, ich hatte eher den Eindruck, dass die Sitzungen sogar leichter, meistens disziplinierter und die Diskussionen lebendiger waren als in den Jahren zuvor.» Sogar die bislang traditionellen Dispute zweier Parlamentsmitglieder seien im vergangenen Jahr ausgeblieben.

Wertvolle Einblicke

Neben der Leitung des Parlamentsbetriebes übernimmt der Präsident auch viele Repräsentations- aufgaben. «Durch meine neutrale Rolle bin ich mit Kreisen in Kontakt gekommen, mit denen ich als Sozialdemokrat kaum Berührungspunkte habe. Dabei habe ich wertvolle Einblicke in Beziehungsnetze erhalten, die ich bis dahin nicht kannte, und daraus einen neuen Blickwinkel auf die Stadt Olten erhalten.» Aus dem vergangenen Jahr mitnehmen könne er ausserdem die positive Erkenntnis, dass sich viele Personen ohne Gewinnstreben, freiwillig und mit viel Engagement in Olten einsetzen würden. «Dies war mir auch zuvor bewusst, trotzdem habe ich dieses Engagement im vergangenen Jahr in einer anderen Intensität erleben können. Mich beeindruckte beispielsweise der Idealismus des Vereins Olten im Wandel oder auch das grosse Engagement für den kaum beachteten Behindertensport.»

Elitäre Politik

Heutzutage werde mehr Sach- und weniger Parteipolitik betrieben, bestätigt Moor, angesprochen auf die politischen Veränderungen der letzten Jahre. «Die politische Schicht wurde ausserdem viel intellektueller und damit auch elitärer. Dies war in meinen Anfängen nicht so», betont der einstige Interimspräsident der SP Olten und Fraktionschef SP/Junge SP. «Diese Entwicklung erleben wir auch in der SP. Das ist schwierig, da die Gefahr besteht, dass der Bezug zu der Bevölkerungs- schicht, die wir vertreten möchten, verloren geht.» Moor, zwar selbst Akademiker, mag den elitären Anstrich nicht, was er durch seine legere Kleiderwahl mit Jeans, T-Shirt und Kapuzenpulli unterstreicht. So hielt in seiner Antrittsrede fest, dass er auch als Parlamentspräsident nicht vorhabe, sich einer Kleiderordnung zu beugen. «Dass ich es dann tatsächlich so strikt durchziehen würde, wusste ich damals noch nicht», so Moor schmunzelnd, der sich mit Joggen und Biken fit hält. Angesprochen auf seine Studienwahl erzählt der 64 Jährige: «Bereits in jungen Jahren haben mich Mathematik und physikalische Fächer interessiert. Schliesslich Physik mit Nebenfach Philosophie zu studieren war mein grosser Traum.» Heute arbeitet Moor als Physiker bei der SBB Bahnsicherungsanlagen. «Ich bin kein eingefleischter Eisenbähnler, aber ich finde es auch nach 25 Jahren bei der SBB noch toll, zu versuchen, das Bahnsystem besser zu machen», erzählt der Oltner, der sich durch die jahrelange Zusammenarbeit mit Firmen aus dem französischsprachigen Raum der frankophonen Welt genauso verbunden fühlt wie der deutschen.

Endlich wieder mitreden

Angesprochen auf das bevorstehende Jahr meint Moor lachend: «Ich freue mich darauf, wieder mitreden zu dürfen, denn zwei Situationen sind als Parlamentspräsident wirklich hart. Einerseits wenn man denkt, dass die eigene Fraktion etwas sagen sollte und es geschieht nichts. Andererseits wenn jemand etwas erzählt, das man als absoluten Blödsinn befindet, sich dies aber in Form einer Grimasse nicht anmerken lassen darf.» Im kommenden Politjahr möchte sich der Sozialdemokrat mit seiner Partei dafür einsetzen, dass mit dem Umbau des Bahnhofquais auch gleich die Aufwertung des Aarequais angegangen wird. Ausserdem ein Thema ist der Mobilitäts- plan. «Dabei möchten wir nicht über jeden Parkplatz diskutieren, sondern uns für den Langsam- verkehr einsetzen», erzählt Moor, der selbst gerne in seiner Freizeit den Drahtesel sattelt, und fügt an: «Wir möchten dafür eine Liste von Standorten in Olten erstellen, die besonders kritisch für Velos oder Passanten sind. Wie beispielsweise die Postkreuzung, der Sälikreisel und die Strecke vom Bahnhof zum Café Ring.» Abgesehen davon stünden die Forderung nach mehr Transparenz über die stadteigenen Betriebe und das längst angekündigte Konzept über die Jugendarbeit in der Stadt Olten auf dem Parteiplan. Heute Abend wird der 64-Jährige nun die traditionelle Abschluss- rede halten. «An dieser habe ich gefeilt, während ich mit meinem Bike den Engelberg hinaufge- fahren bin - dabei hat man ja genug Zeit», erzählt Moor lachend.

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