Buchpremiere auf dem Friedhof

Friedhof Meisenhard Am Mittwoch, 19. September um 19 Uhr wird mit der Buch- premiere der Autorin Murielle Kälin erstmals eine Veranstaltung in der Abdankungs- halle des Oltner Friedhofs Meisenhard stattfinden. Kein Werbeevent wie Werkhofchef René Wernli betont, aber ein Anlass, der Berührungsängste abbauen soll.

Möchten der Bevölkerung den Friedhof Meisenhard nicht nur als Trauer- sondern auch als Kraftort näher bringen: Abschiedsgestalterin Murielle Kälin und Werkhofchef René Wernli. (Bild: mim)
Möchten der Bevölkerung den Friedhof Meisenhard nicht nur als Trauer- sondern auch als Kraftort näher bringen: Abschiedsgestalterin Murielle Kälin und Werkhofchef René Wernli. (Bild: mim)

Ein wolkenlos, blauer Himmel und eine meditative Ruhe erwartete die Besucher am Mittwoch- morgen auf dem Oltner Friedhof Meisenhard. Während der Starrkircher Autorin und Abschieds- gestalterin Murielle Kälin die «Friedhofs-Katze» um die Beine streicht erzählt sie, wieso es ihr neben der thematischen Nähe ein Anliegen ist, die Premiere ihres neuen Buches am Mittwoch,
19. September auf dem Oltner Friedhof zu begehen. «Ich möchte den Leuten ihre Berührungs- ängste nehmen. Die Menschen verbringen meist ihre schlimmsten und emotionalsten Momente auf dem Friedhof. Mit dem Anlass möchte ich deshalb für einmal die schönen Seiten des in der Natur eingebetteten Ortes zeigen», erklärt die 40-Jährige und fügt an: «Ausserdem werden auf dem Friedhof noch ein achtsamer Umgang und Mitgefühl gelebt. Deshalb könnte ich mir vorstellen, dass Friedhofbesuche eine gewisse Besinnung bei den Menschen hervorrufen würden.» Auch Werkhofchef René Wernli bestätigt die spezielle Atmosphäre auf dem Friedhof Meisenhard: «Trotz der zentralen Lage zur Stadt kommt es einem vor, als befände sich der Friedhof unter einer Glocke, die den Lärm und die Hektik fernhält», zeichnet Wernli ein Bild von der Stimmung. Die Anfrage von Murielle Kälin besprach der Werkhofchef mit der Direktion Bau. Man war sich indes einig, dass es keine Werbeveranstaltung werden sollte. «Es ist ein spezieller Anlass, dessen Durchführung, wenn sie respektvoll begangen wird, durchaus auf dem Friedhof stimmig ist. Der Tod ist der natürliche Abschluss vom Leben, weshalb wir versuchen, ein unverkrampftes Verhältnis dazu zu fördern», zeigt Wernli auf.

Premiere in vielerlei Hinsicht

Die kaufmännische Bankangestellte Murielle Kälin nahm sich seit ihrem 23. Lebensjahr im privaten Rahmen dem Verfassen und Vortragen der Lebensläufe ihrer verstorbenen Familienmitglieder an. Im Jahr 2015 hängte Kälin ihren Beruf in der Bank an den Nagel und ist seither als selbstständige Abschiedsgestalterin tätig. Daneben hat Kälin drei Bücher und zwei Theaterstücke geschrieben sowie Regie geführt. Darin wird die Vergänglichkeit respekt- und liebevoll mit einer Prise Humor und Leichtigkeit thematisiert. Nach dem erfolgreichen zweiten Theaterstück «Hin-über - tot, töter am tötesten» im vergangenen Jahr, in dem der Tod die Hauptrolle spielt, sei sie mehrmals angefragt worden, ob es das Theater auch in Buchform gebe. «Aus diesem Grund habe ich mich hingesetzt und das Theater für die Buchvariante umgeschrieben», erzählt Kälin. Bei «Hin-über» stellt sich die Frage, was geschieht, wenn der Tod ein Burnout bekommt und einfach den Löffel abgibt? Das nun die Buchpremiere auf dem Friedhof Meisenhard stattfinden könne, freue sie sehr, betont Kälin im Wissen, dass es keine Selbstverständlichkeit ist. «Der Friedhof Meisenhard soll jedoch nicht zur Festhalle werden», stellt Wernli, angesprochen auf Nachfolgeprojekte klar. Grundsätzlich müsse jede Anfrage individuell abgeklärt werden.

Friedhof Meisenhard im Wandel

Der stetige Wandel ging und geht auch am Bestattungswesen und den Friedhöfen nicht spurlos vorbei. Nachdem es auf dem alten Burgfriedhof aus dem Jahr 1860 an der Baslerstrasse in Olten nach mehrmaligen Vergrösserungen zu eng wurde, verlegte man diesen auf den 1916 nach den Entwürfen des Architekturbüros A. von Arx & W. Real erbauten Friedhof Meisenhard. 1915 reichte der Feuerbestattungsverein Olten, der 1995 aufgelöst wurde, die Motion zum Bau eines Krematoriums ein, das schliesslich 1918 errichtet wurde, ist im Gartendenkmalpflegerischen Gutachten der Stadt Olten aus dem Jahr 2012 zu lesen. Über das vergangene Jahrhundert ist schliesslich die Erdbestattung mehr und mehr durch die Feuerbestattung abgelöst worden, was die stetige Friedhofserweiterung insbesondere im Bereich des Kolumbariums zeigt. Die letzte Erweiterung auf dem Meisenhard erfolgte 2009 mit vier Urnenpyramiden. «In den nächsten Wochen werden wir über die folgenden zwei Jahre mit der Sanierung der Dächer beginnen», erzählt Wernli und fügt an: «Im Jahr 2020 steht zudem die Erneuerung des Brennofens an, weshalb sich die Stadt die Frage stellen muss, ob in Olten noch kremiert werden soll.» Für die Kremation, die Betreuung an Abdankungen, den Unterhalt der Friedhofsanlagen sowie einen Teil des Gartens zeigen sich seit siebeneinhalb Jahren Friedhofwart Peter Kempf und seit rund zwei Jahren Allrounder Beda Wernli verantwortlich. Der restliche Garten sowie die zwei Mal jährlich vorgenommenen Anpflanzungen werden von der städtischen Gärtnerei übernommen.

Auch für die Lebenden

Das sich die Art der Abschiedsfeiern in den letzten Jahren mehr und mehr gewandelt haben, stellt auch Murielle Kälin fest. Immer mehr würden sie sich in die Natur verschieben. Aber auch heute noch seien Friedhöfe für Hinterbliebene ein Ort des Gedenkens an ihre Angehörigen. «Ich hoffe, mit der Buchpremiere im Beisein der Illustratorin Nina Kyburz und mit Musik von Shanky Wyser die Schönheit des Meisenhards zeigen zu können und vielleicht zu erreichen, dass dieser wunderbare Ort nicht nur mit der Trauer in Verbindung steht», betont Kälin. Schliesslich schrieb bereits das städtische Bauamt während der Planungsphase vor 1916, dass der Friedhof Meisenhard nicht ausschliesslich eine Stätte für die Verstorbenen darstellen, sondern gleichermassen ein Ort für die Lebenden entstehen solle, wo man sich an der Natur und Gegend erfreuen könne.

Buchpremiere «Hin-über - tot, töter am tötesten» von Murielle Kälin
Mittwoch, 19. September, 19 Uhr
Abdankungshalle, Friedhof Meisenhard

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