Der Friedhofwart vom Meisenhard

Friedhof Meisenhard Seit nunmehr acht Jahren waltet Peter Kempf als Friedhofwart auf dem Friedhof Meisenhard. Den Kremationsofen zu bedienen ist dabei nur eine seiner vielen Aufgaben.

Friedhofwart Peter Kempf vor der Abdankungshalle auf dem Friedhof Meisenhard in Olten: «Am Ende haben alle Menschen die gleichen Bedürfnisse.» (Bild: Franz Beidler)
Friedhofwart Peter Kempf vor der Abdankungshalle auf dem Friedhof Meisenhard in Olten: «Am Ende haben alle Menschen die gleichen Bedürfnisse.» (Bild: Franz Beidler)

Obwohl der Arbeitstag erst um sieben Uhr beginnt, sei er jeweils bereits um sechs Uhr auf dem Friedhof. Dann gönne er sich einen Kaffee und schaue kurz überall zum Rechten. Vielleicht wischt er ein paar Blätter zusammen oder schaufelt Schnee, um einen ersten Weg zur Abdankungshalle zu bahnen. Und er überprüft schon mal kurz den Kremationsofen. Peter Kempf mag keinen Stress, frühmorgens schon gar nicht. «Das habe ich schon immer so gemacht», kommentiert er seinen verfrühten Arbeitsbeginn. Besonders nach den winterlichen Festtagen wie Weihnachten oder Allerheiligen geniesst er diese Stunde besonders. Wenn die Angehörigen die Verstorbenen besucht haben, brennt auf jedem Grab eine Kerze. «Dann betrachte ich das Lichtermeer, das ist ein besinnlicher Moment.» Seit acht Jahren arbeitet der 56-jährige Kempf als Friedhofwart auf
dem Friedhof Meisenhard. «Meld’ dich doch mal», habe ihm seine Frau gesagt, als er die Ausschreibung sah. Als gelernter Schreiner half der Neuendorfer schon als Lehrling bei Einsargungen. «Es kam mir zu Gute, dass ich schon Erfahrungen mit Bestattungen gemacht hatte.» Ein Gespür für die delikate Arbeit müsse einem aber auch gegeben sein, das könne man nicht lernen. Auf dem Friedhof Meisenhard begleitet Kempf rund tausend Kremationen pro Jahr, maximal fünf pro Tag. «Mehr geht nicht, sonst überhitzt die Filteranlage», erklärt Kempf. Auf viele Kremationen folgt eine Abdankungsfeier. Dann schmückt Kempf die Abdankungshalle und räumt sie danach auf. Er ist für den Gebäudeunterhalt und die Sauberkeit auf dem Friedhof zuständig und muss die Gräber kontrollieren, damit diese den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. «Das Aussehen der Gräber ist dem Friedhofreglement unterworfen», sagt Kempf. Im Falle von zu grossen Pflanzen, die auf die benachbarten Gräber überlappen, müsse er das Gespräch mit den Angehörigen suchen. Er könne die Gräber nicht einfach ungefragt stutzen.

600 Gräber, 3’000 Nischen

Auch Fragen aus der Bevölkerung zu beantworten, zählt zu seinen Aufgaben. «Irgendeinmal kommen wir alle damit in Berührung», sagt Kempf zum Thema Friedhof. Dann nimmt er sich gerne Zeit und klärt auf. Pro Jahr führt er etwa sieben Schulklassen über den Friedhof und zeigt ihnen die Kremationsanlage. Oberste Priorität in seiner Arbeit haben aber die Kremationen. «Eine typische Woche gibt es nicht», sagt Kempf. Die Verstorbenen geben den Zeitplan vor. Der Friedhof Meisenhard beherbergt rund 600 Gräber und etwa 3’000 Nischen. «Eine Nische ist pflegeleichter als ein Grab», weiss Kempf. Deshalb würden Nischen oftmals vorgezogen. Beliebt ist auch das Gemeinschaftsgrab, das von der Stadtgärtnerei geschmückt wird. So können die Angehörigen Anteil nehmen, ohne sich um die Bepflanzung kümmern zu müssen. Etwa 160 Gräber sind verwahrlost. «Da stelle ich sicher, dass die vorgeschriebene Umrandung mit der Lonicera-Pflanze stimmt», sagt Kempf. Ansonsten seien diese Gräber aber unbepflanzt. Er erlebt aber auch das Gegenteil: «Manchmal nach Festtagen stehen Kerzen auch auf bereits geräumten Grabfeldern.» Angehörige würden sich die Stellen merken, wo einst ihre Liebsten begraben wurden. Zwanzig Jahre nachdem das letzte Grab angesetzt wurde, wird ein Grabfeld wieder geräumt. Auf dem Friedhof Meisenhard passiert das zum nächsten Mal am 1. Februar. Bis dahin können Angehörige den Grabstein und die Bepflanzungen der betroffenen Gräber abholen. Nach der Räumung wird das Feld mit neuem Rasen besät oder mit Bäumen bepflanzt.

Friede, Liebe, Erinnerung

Seit fünfzehn Jahren beherbergt der Friedhof Meisenhard auch ein Grabfeld für Muslime, nach Mekka ausgerichtet. «Der Friedhof und die Abdankungshalle sind für alle zugänglich», hält Kempf fest. Auch wenn ein grosses, hölzernes Kreuz in der Mitte des Friedhofs thront, ist dieser nicht an eine Konfession gebunden. Neben Muslimen hätte er auch schon Buddhisten, Hinduisten oder orthodoxe Christen bei einer Abdankung begleitet. «Am Ende haben alle Menschen die gleichen Bedürfnisse: Friede, Liebe, Erinnerung», sagt Kempf in Anspielung auf die Inschrift an der Abdankungshalle. Anstatt die Urne nach einer Kremation beizusetzen, würden immer mehr Leute die Asche mit nach Hause nehmen, sagt Kempf. «In der Schweiz darf man die Kremationsreste verstreuen, wo man möchte.»

«Am Küchentisch ist der Friedhof weg»

Das schlimmste an seiner Arbeit seien Beisetzungen von Kindern. «Ich habe eine Regel: Wenn ich zu Hause am Küchentisch sitze, ist der Friedhof weg», erklärt Kempf. Aber bei einer Kinder- beerdigung sei das unmöglich, das nehme einen einfach mit. Ansonsten gefalle ihm die Arbeit aber sehr. «Ich erhalte oft Dankes-karten.» Die Leute schätzten seinen Einsatz in einer für sie schwierigen Zeit. «Zwischenmenschliches Fingerspitzengefühl ist sehr wichtig», weiss Kempf.
Von alten, vielleicht einsamen Friedhofsbesuchern lässt er sich die Geschichte ihrer Verstorbenen oft auch mehrmals erzählen. Und wenn Angehörige die Halle für den letzten Gang ihrer Liebsten selber schmücken möchten, unterstützt Peter Kempf sie dabei. «Die Erfahrungen, die ich da mit den Menschen mache, sind auch ein Teil von meinem Lohn.»

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