Orange Engel sind unterwegs

Bahnhofhilfe Olten Sieben Bahnhofhelfende sind das ganze Jahr unterwegs und stehen Reisenden bei alltäglichen Schwierigkeiten mit Rat und Tat - zur Seite.

Monique Sinniger, Leiterin Bahnhofhilfe und Patricia Meier, Bahnhofhelferin beim Gleis 4, Sektor D, wo sich das Bahnhofhilfe-Büro befindet. jpi)
Monique Sinniger, Leiterin Bahnhofhilfe und Patricia Meier, Bahnhofhelferin beim Gleis 4, Sektor D, wo sich das Bahnhofhilfe-Büro befindet. jpi)

Am Eisenbahnknotenpunkt Olten steigen täglich Tausende Reisende ein, um oder aus. Manche sind unterwegs zur Arbeit, manche reisen mit Koffern zum Flughafen, andere sind auf einen Blindenstock oder Rollstuhl angewiesen oder erreichen mit Kind und Kegel Olten. Fünf Bahnhofhelferinnen und zwei Bahnhofhelfer unterstützen auf Anfrage Reisende von Montag bis Samstag. Unentgeltlich stehen die Mitarbeiter der Oltner Bahnhofhilfe allen bei alltäglichen Schwierigkeiten zur Seite. Im letzten Jahr wurde die Hilfe der Engel in den orangen Gilets, gekennzeichnet mit dem SOS-Bahnhofhilfe-Piktogramm, von rund 8’500 Personen beansprucht.

Die Hilfeleistungen sind vielfältig – von Auskünften, Einsteighilfen über Ausladen von Kinderwägen, Rollstühlen bis zur Begleitung von Sehbehinderten oder Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung. Die Bahnhofhilfe unterstützt Reisende in jeder Situation, weiss Patricia Meier. Sie ist seit zehn Jahren im Namen der Oltner Bahnhofhilfe unterwegs. «Ich helfe anderen Menschen sehr gerne», sagt Meier mit leuchtenden Augen. Sie liebe den Kontakt mit verschiedenen Personen. Einige Menschen suchen Meier am Oltner Bahnhof auf, einfach um mit ihr zu «schwatzen». Wenn sie keinen angemeldeten Auftrag hat, nimmt sie sich dafür gerne Zeit.

Die Bahnhofhilfe ist somit nicht nur mit körperlicher Tatkraft im Einsatz, sondern auch mit viel Nächstenliebe. «Die Leute sind dankbar und glücklich, wenn sie jemanden haben, der ihnen zuhört», sagt Meier. Eine junge Frau beispielsweise besuche sie immer freitags, «plaudere» mit ihr und begleite sie zu den Einsätzen. Am Freitag habe sie immer viel zu tun: «Viele Bewohner von Wohnheimen reisen über das Wochenende mit Rollstuhl und Blindenstock nach Hause zu ihren Familien.»

Es gibt aber auch weniger erfreulichere Seiten: Bei Unfällen oder Selbstmorden sind die Bahnhofhelfer oftmals als Erste zur Stelle und informieren das SBB-Stellwerk, damit dieses die notwendige Hilfe organisieren kann. Zum Glück reiche aber manchmal auch ein «Pflästerli» aus der Erste-Hilfe-Box im Büro der Bahnhofhilfe, um Kindertränen zu trocknen.

Per Telefon immer erreichbar

 

Die Räumlichkeiten der Bahnhofhilfe Olten befinden sich auf dem Gleis 4 im Sektor D. «Vor dem Umbau des Bahnhofes waren die Räumlichkeiten grösser. Wir hatten ein Sofa für Wartende, die in ruhiger Atmosphäre die Zeit überbrücken möchten», sagt die Leiterin der Bahnhofhilfe Olten, Monique Sinniger. Dies sei zwar jetzt auch möglich, jedoch ohne Sofa. Früher konnten die Reisenden an die Eingangstür klopfen. «Heute sind wir nur per Telefon erreichbar. Das Klopfen an der Aussentür hören wir im Büro nicht», sagt Meier. Wer kein Handy besitzt, kann sich an den Kundenschalter der SBB wenden. Mitteilungen können während den Dienstzeiten von Montag bis Freitag und am Samstagvormittag auch auf den Telefonbeantworter gesprochen werden. Das Team bemüht sich Aufträge, auch ausserhalb der Öffnungszeiten (siehe Box), zu erfüllen.

Enge Zusammenarbeit mit der SBB

 

Die Bahnhofhilfe Olten arbeitet eng mit der SBB zusammen. In Brig führt die SBB ein Callcenter für Menschen mit Beeinträchtigung. Die Anfragen nach Ein- und Austeighilfen in Olten werden an die Bahnhofhelfer vor Ort weitergeleitet. «Wenn wir einem Rollstuhlfahrer helfen, in den Zug einzusteigen, melden wir seine Endstation bei der SBB-Handicap-Hotline an, damit ihm jemand beim Aussteigen helfen kann», sagt Meier. Zur optimalen Organisation der Ein- und Ausstiegshilfen benötigt die Bahnhofhilfe sowie das SBB-Call-Center-Handicap die Anmeldung bis spätestens eine Stunde vor Zugsabfahrt.

Entstehungsgeschichte

 

Geführt wird die Bahnhofhilfe Olten aber nicht von der SBB, sondern von den Trägervereinen PRO FILIA und COMPAGNA. Die Vereine bestehen beide seit über 110 Jahren. Die Bahnhofhilfe – seinerzeit Bahnhofmission genannt – hat ihren Ursprung in Genf und hatte zum Ziel, junge Menschen vor dem Mädchenhandel und der drohenden Prostitution zu schützen. Zur Zeit der Industrialisierung reisten die jungen Leute vom Land in die Stadt und suchten Arbeit. Um sie vor den sozialen Gefahren zu schützen, nahmen sich ehrenamtliche Frauen den Mädchen an den Bahnhöfen an. Sie begleiteten sie in Heime, welche vorwiegend von Ordensschwestern geleitet wurden. Die Schwestern halfen den Mädchen, Arbeit zu finden. So entstanden neben der Bahnhofhilfe die Au-pair- und Unterkunfts-Dienstleistung. Diese Angebote des Vereins PRO FILIA existieren noch heute. Seit 18 Jahren besteht zudem in Europa der Verein «Internationale Konferenz der Bahnhofsozialdienste» mit dem Ziel, grenzüberschreitend Hilfe anzubieten, wie auch Bahnhofsozialdienste zu fördern.

In der Schweiz gibt es zehn Bahnhofhilfen. Vor 18 Jahren waren es doppelt so viele – dies hat vorwiegend finanzielle Gründe. Die Trägervereine müssen die Bahnhofhilfe grösstenteils selber finanzieren und sind deshalb auf Sponsoren angewiesen. Das Team würde sich auch über tatkräftige Unterstützung im Vorstand freuen. Interessierte können sich bei Monique Sinniger (muli68bluewin.ch) melden.

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