Auf dem Hauenstein fühlen sie sich pudelwohl

Gämsen im Jura Im Alpenraum sind sie weit verbreitet – und beliebt: wegen ihres grazilen Aussehens oder auch wegen ihres schmackhaften Fleisches. Gämsen leben jedoch auch im Jura, sogar in der Region Olten. Im Grossraum Hauenstein sind mehr als 100 Tiere zuhause.

Rund um den Hauenstein – im Hintergrund die Kirche von Ifenthal – lebt eine grössere Kolonie Gämsen. (Bild: Archiv Bruno Kissling)
Rund um den Hauenstein – im Hintergrund die Kirche von Ifenthal – lebt eine grössere Kolonie Gämsen. (Bild: Archiv Bruno Kissling)

Wer in den Alpen etwas abseits der hauptsächlichen Touristenpfade wandert, hat intakte Chancen, Gämsen zu erblicken. Die scheuen Fluchttiere mit einem Gewicht von bis zu 50 Kilogramm sind im gesamten Alpenraum verbreitet. In der Schweiz wird ihre Population auf rund 90000 Tiere geschätzt. Viele Menschen dürften sie in freier Natur schon zu Gesicht bekommen haben. Doch: Chancen, einer Herde Gämsen zu begegnen, bestehen durchaus auch im Jura. Sogar in unmittelbarer Nähe der Stadt Olten. Rund um den Unteren Hauenstein leben gemäss aktuellen Schätzungen zwischen 120 und 150 Tieren.

Mark Struch, seit 2008 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Amt für Wald, Jagd und Fischerei im Fachbereich Jagd, ist einer der profundesten Kenner der Gämsenpopulation im Kanton Solothurn. Er geht auf dem gesamten Kantonsgebiet derzeit von knapp 1000 Gämsen aus. «Hauptverbreitungsgebiet ist die erste und zweite Jurakette.» Bekannt seien stattliche Populationen im Gebiet Leberberg oder im Thal. Aber auch im Schwarzbubenland oder eben im Gebiet Unterer Hauenstein fühlten sich Gämsen wohl. Und das nicht erst seit gestern. Selbst als vor 200 Jahren durch den Menschen mit Ausnahme weniger Gämse sämtliche Schalenwildarten in der Schweiz ausgerottet wurden, dürften im Jura noch einige wenige Exemplare überlebt haben. Später konnten sich die Bestände durch Auswilderungen und eine nachhaltig betriebene Jagd wieder deutlich erholen.

Der Bestand wird reguliert

Detaillierte Aussagen über die Bestandsentwicklung in den letzten Jahren lassen sich nicht machen. Struch geht aufgrund der Meldungen aus den einzelnen Jagdgebieten momentan von «einer stabilen bis leicht zunehmenden Anzahl» Gämsen aus. Um die Ansprüche an die Waldverjüngung nicht zu gefährden – Rehe wie Gämsen tun sich bekanntlich gerne gütlich an jungen Bäumen – werden Gämsen bejagt und deren Bestand reguliert. «Es wird eine nachhaltige Jagd betrieben», meint Struch.

Im Kanton Solothurn dürfen Jägerinnen und Jäger zwischen dem 1. August und dem 31. Oktober Exemplare schiessen, und zwar erwachsene männliche und weibliche wie auch Jungtiere. Im Dezember kann nach vorherigem Antrag durch die Wildraumverantwortlichen eine Nachjagd durch den Kanton verfügt werden, wenn zuvor innerhalb der regulären Jagdsaison die festgelegte Anzahl zu schiessender Tiere noch nicht erbracht wurde. «Allerdings sind dann nur die Weibchen und die Jungtiere frei zur Jagd», erläutert Struch. «Der Bock darf nicht geschossen werden.»

Gemäss Struch wurden in der Hauptjagd 2022 ähnlich viele Tiere erlegt wie in den Vorjahren. «Etwa 110 Stück.» Die Zahlen der Nachjagd seien noch nicht ausgewertet worden. Aber letztlich dürften im Kanton Solothurn wiederum etwa 120 Gämsen geschossen worden sein. Im Gebiet Hauenstein sieht der kantonale Abschussplan eine Bejagung von 20 Prozent des Bestandes vor. Erfahrungsgemäss werden aber laut Struch jeweils weniger Tiere erlegt.

Die Gämsen in der Schweiz werden in drei Ökotypen eingeteilt. Da wären zum einen die Waldgämsen. Sie leben ganzjährig im Wald. Bei den Jura-Gämsen handelt es sich um diesen Typen. Die alpinen Gämsen hingegen leben ganzjährig oberhalb der Waldgrenze im Hochgebirge. Und die sogenannten Wechselgämsen tun beides: Im Sommer leben sie oberhalb der Waldgrenze, im Winter streifen sie durch den Bergwald.

Im Gegensatz zum Alpenbogen, in dem die alpinen Gämsen nahezu überall heimisch sind, besteht im Jura eine «disjunkte Verteilung», wie Struch ausführt. Die Gämsen sind nicht flächendeckend anzutreffen. Grund sind ihre Bedürfnisse an den Lebensraum. Bei Gefahr durch Grossraubtiere flüchten sie in felsiges Gebiet. «Die Gämsen verfolgen diese Strategie, weil sie dort schwieriger zu erbeuten sind. Deshalb trifft man die Gämsen im Jura in jenem Gebiet an, in dem die entsprechenden Requisiten vorhanden sind: Felsen, steile Waldpartien, et cetera.»

Genügend Nahrung vorhanden

Der Luchs und in zunehmendem Masse auch der Wolf haben es auf Gämsen abgesehen. «Der Luchs», erklärt Struch, «hat als Hauptbeute Rehe. Zu 90 Prozent ist das so. Ein starker Luchs, ein Kuder, kann aber auch mal eine Gämse reissen. Allerdings ist es für den Luchs gefährlicher, eine Gämse als ein Reh zu reissen. Bei den Gämsen verfügen sowohl die Geiss als auch der Bock über Hörner, sind also bewaffnet und können sich gegen einen Luchsangriff wehren.»

Im Gegensatz zum Menschen, zum Luchs und zum Wolf sowie auch zu Krankheiten und Seuchen ist fehlende Nahrung im Jura kein limitierender Faktor für die Ausbreitung der Gämsen. An Futterquellen mangelt es nicht – zumal die Gämse recht anspruchslos ist. Mark Struch erklärt: «Sie ist ein Raufutterfresser. Hauptnahrung ist Gras.» Sie ernährt sich also von Pflanzen. Insbesondere die Waldgämse sei aber teilweise durchaus wählerisch, ähnlich wie das Reh. So stehen vielleicht gewisse Kräuter bevorzugt auf dem Speiseplan. Und eben: Insbesondere im Winter mag die Gämse auch Knospen und Triebe von Sträuchern, Laub- und Nadelbäumen sehr gern.

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