Eben noch im «Tatort», bald im Stadttheater

Die deutsche Schauspielerin Corinna Harfouch wird nächsten Donnerstag erstmals in Olten auftreten. (Bild: Pascal Bünning)
Corinna Harfouch In einer Woche tritt im Rahmen einer Konzertlesung eine der profiliertesten deutschen Schauspielerinnen im Stadttheater Olten auf: Corinna Harfouch. Begleitet von zwei Musikerinnen, gibt sie berührende Einblicke in das kurze Leben der Künstlerin Alma Rosé.
Von: Achim Günter
Kunstschaffende kennen zumeist kein Pensionierungsalter. Diese Feststellung ist weder neu noch originell. Wenn aber jemand im Alter von 68 Jahren noch ein grosses neues Projekt in Angriff nimmt, ist das doch bemerkenswert. Die ohnehin vielbeschäftigte Schauspielerin Corinna Harfouch tut genau dies. Übers Osterwochenende war sie erstmals als Berliner Tatortkommissarin zu sehen. Dazu hat sie gerade eben einen Kinofilm abgedreht und steht bereits für einen nächsten vor der Kamera. Und heute in einer Woche, am 27. April, kann eine der prominentesten deutschen Bühnen- und Filmdarstellerinnen erstmals hautnah im Oltner Stadttheater erlebt werden.
Die gebürtige Ostdeutsche, die in über 110 Film- und Fernsehproduktionen mitgespielt hat, ist seit mehr als 40 Jahren in ihrem Beruf tätig. Obwohl sie derzeit gerade häufig vor der Kamera steht, ist die Theaterbühne ihr liebster Arbeitsplatz. «Das Theater ist schon meine grosse Liebe», meint sie am Telefon. In Olten wird sie in «Alma Rosé – Das Leben einer grossen Künstlerin zwischen Kultur und Barbarei» auf der Bühne stehen. Die Konzertlesung widmet sich dem kurzen Leben der Wiener Geigerin Alma Rosé, Tochter des Philharmonikers Arnold Rosé und Nichte des grossen Komponisten Gustav Mahler.
Die Aufführung im Stadttheater Olten lebt einerseits von hochstehender Musik mit Werken etwa von Mozart, Beethoven, Bach, Brahms, Schubert oder Kreisler; dargeboten wird diese von Latica Honda-Rosenberg (Violine) und Hideyo Harada (Klavier). Andererseits von Textauszügen aus «Ihr sollt die Wahrheit erben – Die Cellistin von Auschwitz» von Anita Lasker-Wallfisch und aus der Biografie «Alma Rosé» von Richard Newman. Für die Rezitation dieser Texte ist Corinna Harfouch besorgt.
Mit der Pianistin Hideyo Harada und deren Mann Oscar Fried hat Harfouch bereits mehrfach für Projekte zusammengespannt. Das gemeinsam konzipierte Stück «Alma Rosé» haben sie zum Beispiel schon beim Mozartfest Würzburg 2021 gezeigt. Vorher war Harfouch der Name Alma Rosé nie begegnet. «Obwohl ich mich schon das ganze Leben mit der Thematik Drittes Reich und allen möglichen Blickwinkeln darauf beschäftige, war mir der Name Alma Rosé zuvor tatsächlich nicht untergekommen.» Es handle sich beim Inhalt dieses Stücks um einen «besonders intimen Stoff für jemanden, der sich als Künstlerin begreift, wie ich das tue, weil er die Frage beinhaltet, was wir glauben, was Kunst den Menschen bringt». Harfouch erläutert ihren Gedanken: Wenn ein sadistischer SS-Lagerarzt wie Dr. Mengele während seiner Selektionsarbeit ebenso gerne Mozart höre wie sonst jemand, nehme sie das als erschütternd, ja sogar quälend wahr.
«Enorm intensive Arbeit»
Überhaupt sei die Arbeit bei diesem Stück, die Zwiesprache zwischen Musik und Text, für alle Künstlerinnen des Trios enorm intensiv. Die Geigerin Latica Honda-Rosenberg, mit der Harfouch bei «Alma Rosé» erstmals zusammenarbeitet, sei selbst Jüdin und habe in den Vernichtungslagern des Dritten Reiches Familienangehörige verloren. Die einzelnen Stücke hätten sie denn auch «enorm sorgfältig» ausgewählt.
Harfouch hat beste Erinnerungen an vorherige Auftritte in der Schweiz. «Für mich als Schauspielerin war es immer sehr angenehm, in der Schweiz zu arbeiten.» In Zürich, Basel oder Winterthur stand sie schon auf Bühnen. In Olten hingegen noch nie. «Es ist eine Premiere.» Und lachend fügt sie hinzu: «Eine richtige Weltpremiere.» Sie sei sehr gespannt aufs Publikum und hoffe auf eine grosse Zuhörerschaft. «Ich kann versprechen, dass man wirklich etwas erlebt. Die beiden Musikerinnen sind hervorragend. Das Stück ist sehr bewegend, aber auch spannend. Und man muss auch keine Angst vor dem Thema haben. Es ist etwas, das uns etwas angehen sollte, und bei dem man in eine ganz spezielle Geschichte hineintauchen kann.»
Die Musikerin Alma Rosé
Ein Leben für die Musik 1906 in einer Musikerfamilie geboren, gründet Rosé 1932 das Damenorchester «Die Wiener Walzermädeln» und tourt mit diesem durch ganz Europa. Auch als Solistin feiert sie grosse Erfolge. Nach dem «Anschluss» Österreichs flieht sie 1939 nach London, lebt später in den Niederlanden, gelangt dann aber dennoch in die Fänge der Nationalsozialisten und wird schliesslich im Sommer 1943 ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Dort wird sie Leiterin des «Mädchenorchesters». Im April 1944 stirbt sie in Auschwitz unter ungeklärten Umständen. Gemutmasst wird über eine Vergiftung – entweder durch sie selbst oder durch einen eifersüchtigen Mithäftling. (agu)