Kultur in Corona-Zeiten

Oltner Kulturschaffen In den letzten Wochen entstand neues, kulturelles Schaffen wegen, mit oder abseits von Corona. Ein Blick auf eine Sparte, bei der die Durststrecke nicht mehr allzu lange andauern darf.

Musiker Christian Schenker (l.) spielt seit Beginn des Lockdowns jeden Tag ein Lied zum Feierabend und ... (Bild: ZVG)

Musiker Christian Schenker (l.) spielt seit Beginn des Lockdowns jeden Tag ein Lied zum Feierabend und ... (Bild: ZVG)

... Schauspieler und Autor Rhaban Straumann (r.) äussert sich in seinen Video-Kolumnen auf Sofakultur zur Isolation des Menschen. (Bild: ZVG Video)

... Schauspieler und Autor Rhaban Straumann (r.) äussert sich in seinen Video-Kolumnen auf Sofakultur zur Isolation des Menschen. (Bild: ZVG Video)

In bester Troubadour-Manier steht der Kappeler Musiker und Kinderliedermacher Christian Schenker mit seiner Gitarre auf dem Balkon seines Hauses und spielt mal einen Song von Mani Matter, aber auch Eigenkompositionen. «Am Anfang des Lockdowns hatte eine Nachbarin Geburtstag. Da man nicht mit ihr feiern konnte, prosteten ihr die Nachbarn vom Garten zu. Da holte ich Gitarre und Verstärker und gab ein kurzes Konzert vom Balkon aus», erzählt Schenker von den Anfängen seiner Balkonkonzerte. «Seither singe ich jeden Tag um 17.45 Uhr ein Lied zum Feierabend. Ab und zu poste ich einen dieser Auftritte auf Social Media-Plattformen, aber eigentlich geht es vor allem ums Pflegen der Nachbarschaft», betont Schenker. Auf die Frage, ob er dem Lockdown, der 32 abgesagte Konzerte zur Folge hatte, auch Positives abgewinnen könne, meint Schenker: «Ich habe mein Studio aufgerüstet und bin nun in der Lage, zu Hause aufzunehmen. Bisher dachte ich immer: «Schuster bleib bei deinen Leisten». Ich kümmerte mich um Text sowie Melodie und fürs Technische ging ich zu den Profis ins Studio. So etwas wie mit «Putz di furt, Corona!», dass ich am Freitag einen Song schreibe, am Samstag die Band dazu spielt und am Montag in den Schulen tausende Kinder dazu die Hände waschen, wäre vorher undenkbar gewesen.» Das Lied hat Schenker auf Wunsch seiner Ehefrau geschrieben, die als Lehrerin arbeitet. «In ihrer Klasse müssen 20 Kinder an zwei Wasserhähnen dreimal pro Halbtag die Hände waschen. Deshalb sollte das Lied Struktur und Unterhaltung in dieses vom Kanton verordnete «Ritual» bringen», erzählt Schenker. Ebenfalls dem Virus widmet sich das am Montag erschienene Kinderbuch «König Corona». Die altersgerecht aufbereitete Geschichte über die Probleme der Pandemie anhand eines Königreichs stammt von Isabelle Bitterli und die 14 Bilder vom Oltner Cartoonisten Werner Nydegger.

Auf dem Sofa der Kultur

Seit rund zwei Wochen wirkt Christian Schenker ausserdem auf der Plattform «Sofakultur» mit. «Ich erwache oft um 3 Uhr morgens mit einer Idee. Wenn ich diese zu lange mit mir herumtrage, wird es schwierig für meine Familie, denn dann bin ich «nöime am tröime». Deshalb bin ich froh um Kanäle, die meine Ergüsse zum Publikum transportieren», erklärt Schenker. Auf der im März von Kolt-Verlagsleiter Yves Stuber auf die Beine gestellten Plattform «Sofakultur» können sich Künstler mit ihren Videobeiträgen präsentieren. Zugang bekommt, wer das monatliche Eintrittsgeld von 25 Franken bezahlt, davon werden mindestens 20 Franken an die Künstler ausgeschüttet. «Dank Sofakultur habe ich angefangen, meine Lieder für Erwachsene aufzunehmen», so Schenker und fügt an: «Es ist schön, wenigstens via Social Media noch den Kontakt zum Publikum aufrecht zu erhalten. Jetzt habe ich halt Klicks statt Gigs. Aber die direkte Interaktion der Live-Auftritte fehlt mir.» Neben Schenker haben auf dem Sofa der Kultur die Slam Poeten Kilian Ziegler und Lisa Christ, die Tanzschaffenden Ursula Berger und Pascale Utz, das Künstler-Duo Comedia Zap sowie die Musiker Simon Spiess, Collie Herb und Denise Donatsch Platz genommen. Letztere hat die Tage ihre Single «A Revair» veröffentlicht. Ebenfalls mit dabei ist Schauspieler, Satiriker und Autor Rhaban Straumann, dessen Buch «Noch ist heute» mit Essays anfangs April im Knapp Verlag erschienen ist. Er thematisiert in seinen Video-Kolumnen seit rund zwei Monaten den Lockdown-Zustand und dessen Auswirkungen auf die isolierten Menschen und Kulturschaffenden. Ausserdem hat er mit seinem Schauspieler-Kollegen Matthias Kunz als Duo Strohmann-Kauz mehrere Beiträge unter dem Motto «Kultur statt Krise» mit Gästen live aus dem Stadttheater Langenthal gesendet. Ebenfalls nicht untätig war der Oltner Kulturschaffende und Barkeeper Daniel Kissling, der mit den bisher zwei Literaturmagazinen «Stoff für den Shutdown» Texte aus dem Lockdown mitpubliziert hat. Daneben spielte Musiker André Kunz gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Yogalehrerin Danielle Kunz Dwyer, das Album «HAMSA» ein.

Hoffen auf Hunger nach Kultur

In einer ersten Lockerung wurden vor zwei Wochen die Türen der Museen und Bibliotheken geöffnet und allenfalls gestern eine weitere Lockerung durch den Bundesrat (diese fand nach Redaktionsschluss statt) beschlossen. Doch wie praktizierbar wird diese sein? Auf die ungewisse Zukunft für Kulturschaffende haben sieben regionale Interessengemeinschaften aus der ganzen Schweiz, darunter Pro Kultur Olten, in ihrem offenen Brief an den Bundesrat und das Bundesamt für Kultur Anfang Monat hingewiesen. Darin fordern sie «eine rasche Klärung der Termine auch für mittlere und kleine Veranstaltungen» und betonen, dass gerade Freischaffende auf längere Sicht ohne Aufträge dastehen. «Veranstalter sind gezwungen, ins Blaue hinaus zu planen», heisst es im Offenen Brief und die Interessengemeinschaften warnen vor den Langzeit-Folgen der Krise. «Auch wenn sich einige digitale Varianten für Künstler entwickelten, um sichtbar zu bleiben, gibt es Kunstsparten, für die eine digitale Form keine Alternative ist», betont Pro Kultur Olten-Präsidentin Regina Graber. Sie hofft, dass sich ein gewisser Hunger auf Kulturangebote angestaut hat und, dass Kultur künftig mehr wertgeschätzt wird. «Schliesslich geht es nicht «nur» um einen Künstler auf der Bühne, sondern um die gesamte Wertschöpfungskette.» Deshalb hofft Graber, dass der Brief auch eine Diskussion um die Nachhaltigkeit in der Kultur auslösen wird. Angesprochen auf eine allfällige Lockerung meint Musiker Christian Schenker: «Ich wäre allzeit bereit. Aber die Festivals mussten alle absagen, weil die Ungewissheit zu gross wurde und die Sponsoren wegfielen. Eventuell gibt es dadurch Platz für Spontanes. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass ich mein Publikum bald wieder live unterhalten kann. Bis es soweit ist, freue ich mich auf spielfreudige Bandproben und vielleicht den einen oder anderen Auftragssong – wir hätten Zeit!»

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