«Die Wertschätzung ist enorm»
Regula Jud Wie ein roter Faden zieht sich die Betreuung und Begleitung von Menschen durch ihr Leben. Nach Erfahrungen in der Landwirtschaft und Hotellerie hat sich Regula Jud schliesslich entschieden, sich auch beruflich der sozialen Begleitung zu widmen.

Sie habe mit ihren 46 Jahren schon ein intensives und vielseitiges Leben hinter sich, beginnt Regula Jud lächelnd. In Rieden (SG) in einer Bäckerfamilie geboren, zog es sie schon in jungen Jahren ins Toggenburgische. «Ich habe mich bewusst und aus Leidenschaft für den Beruf Bäuerin entschieden und 10 Jahre lang mit ihrem damaligen Partner einen landwirtschaftlichen Bergbetrieb geführt», erklärt die dipl. Bäuerin. Jedoch seien für sie als eine feingliedrige, schmächtige Person die Spuren der Strapazen des Bauernalltages noch heute spürbar.
Vier Grischun-Steinböcke
Nach dem Toggenburg zog die dreifache Mutter mit ihren Kindern ins Bündnerland. «Eigentlich wollte ich wieder in einem landwirtschaftlichen Betrieb arbeiten, kam aber dann über Umwege zum Hotel «Hitsch-Huus»», erinnert sich Jud und fügt an: «Kurzerhand übernahm ich gemeinsam mit einem Geschäftspartner die Betriebsleitung dieses kleinen Hotels.» Doch ihr Interesse an der Natur ging auch in dieser Tätigkeit keineswegs verloren. «Wir führten den Betrieb bewusst ökologisch mit bspw. Sonnenkollektoren und Fernheizung. Das «Hitsch-Huus» wurde damals sogar mit vier von maximal fünf Grischun-Steinböcken, ein Sternesystem mit Fokus auf Ökologie, ausgezeichnet.» Vier Jahre lang führte die Riederin das Hotel engagiert; dies alles neben ihren Aufgaben als alleinerziehende Mutter von drei Kindern. «Doch irgendwann streikte mein Körper. Ich hatte seit meiner Zeit im Toggenburg mit enormen Rückenschmerzen zu kämpfen und durfte in dieser Zeit keinerlei Lasten mehr heben, die mehr als fünf Kilogramm wogen», blickt Regula Jud zurück.
Weg in die soziale Begleitung
So entschied sie sich für einen Branchenwechsel. Sowohl im Hitsch-Huus als auch in ihrem Privatleben hatte sie sich mit sozialer Betreuung von Menschen auseinandergesetzt. «Mein ältester Sohn hat eine kleine Behinderung und war schon immer auf eine etwas intensivere Betreuung angewiesen. Ausserdem habe ich sowohl auf dem Bauernhof als auch in unserem Hotelbetrieb entweder handicapierte Personen oder Jugendliche, die im Konflikt mit dem Gesetz standen, beschäftigt. So startete wahrscheinlich das Interesse am sozialen Bereich.» Da ein Sozialpädagogik-Studium als alleinerziehende Mutter aus Zeitgründen nicht machbar war, entschied sich Jud für eine dreijährige Ausbildung zur Sozialbegleiterin und sammelte in ihren Praktika in Chur und Schierrs (GR) bereits Erfahrungen in der Betreuung von betagten Menschen. «Ich hatte schon seit meiner Kindheit einen guten Draht zu älteren Personen und so bereitete mir diese Tätigkeit grosse Freude.» Doch trotz Abschlussdiplom fiel es ihr schwer im Kanton Graubünden eine Anstellung zu finden. Nach monatelanger Suche entschied sie sich schweren Herzens für einen Umzug nach Rapperswil (SG), da dort eine Anstellung in der Betreuung von behinderten Menschen frei war. Doch leider spielte ihr ihr Rücken wieder einen Streich.
Kampf für die Berufsanerkennung
«Ich hatte immer noch mit Rückenproblemen zu kämpfen und musste eine krankheitsbedingte Auszeit einlegen.» Doch in dieser blieb sie keineswegs tatenlos. «Ab 2007 war ich im Vorstand des Schweizerischen Berufsverbandes Sozialbegleitung tätig und kämpfte an vorderster Front für dessen eidgenössische Berufsanerkennung», erinnert sich die dipl. Sozialbegleiterin nicht ohne Stolz. Nach dreijährigem Engagement, zahlreichen Verhandlungen und Schreiben war das Ziel erreicht: 2010 durften100 Sozialbegleiter endlich ihren Fachausweis entgegen nehmen und ihr Berufsfeld wurde nun offiziell anerkannt. «Diese ehrenamtliche Tätigkeit war enorm bereichernd für mich.»
Aktivierung im Weingarten
Doch durch ihre gesundheitliche Vorgeschichte war es nach ihrer Auszeit schwierig wieder im Berufsleben Fuss zu fassen. «Nach zahlreichen Bewerbungen setzte ich 2009 einfach alles auf eine Karte und zog kurzerhand nach Küttigen (AG). In dieser Region besass ich einerseits einige Freunde, andererseits hatte ich Schulungen auf dem Herzberg besucht und diese Region war mir auf Anhieb sympathisch», begründet sie heute die Entscheidung. 2010 trat sie ihre heutige Stelle im Alters- und Pflegeheim Weingarten an. «Ich bin gemeinsam mit meiner Mitarbeiterin Uschi Hebherr für die Aktivierung zuständig und bin mit allen 71 Bewohnern auf irgendeine Art in Kontakt.» Die Freizeitgestaltung der gesamten Woche wird von den Beiden übernommen. So bietet Jud Bastel-, Koch-, Handarbeitsstunden aber auch Kinonachmittage oder gesellige Events wie Bräteln und Marroni-Essen an. «Die Bewohner sollen je nach ihren Möglichkeiten weder über- noch unterfordert werden. Somit stimmen wir unser Programm auf die jeweiligen Fähigkeiten ab.» Auch saisonale Ereignisse werden beispielsweise mit Eierfärben oder mit Konfitüre kochen zelebriert. «Auch Bewohner, die eher introvertiert sind und sich in der Gruppe evt. nicht wohlfühlen, besuchen wir regelmässig und suchen das Gespräch. Ich betreibe bspw. Biografiearbeit und spreche mit den Bewohnern über frühere Erlebnisse, was zu extrem spannenden Storys führen kann.» Mitarbeiter in der Aktivierung sind oftmals auch Vertrauenspersonen für die älteren Menschen, da sie eine andere Verbindung zu ihnen pflegen als bspw. zum Pflegepersonal. «An meiner Tätigkeit schätze ich vor allem die enorme Wertschätzung von Heimleitung wie auch Bewohnern, die einem vermittelt wird.» Aus dieser zieht sie neue Energie, auch für ihr Privatleben. «Da meine Kinder nun alle ausgezogen sind, ziehe ich bald zu meinem Partner nach Egerkingen in ein altes Bauernhaus und kann so wieder die Natur vor der Haustüre geniessen», schliesst Regula Jud, die mit ihrem Tatendrang sicherlich auch in Zukunft das Leben der Altersheimbewohner kreativ beleben wird.