«E jede Tag isch e bsundrige Tag»
Heidi Giger Fast 40 Jahre lang hat die Lostorferin die Schulzeit von Primar- sowie Oberstufenschülern in der Region rund um die Kreisschule Mittelgösgen geprägt. Sei dies als Lehrerin oder mit ihren beliebten Musicals, die sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Oskar auf die Beine gestellt hat.

Lehrerin aus Leidenschaft. Dieser Slogan passt bei Heidi Giger sehr gut. «Ich wollte bereits im Kindergarten unbedingt Lehrerin werden», erinnert sie sich heute lachend. Obwohl sie in einer typischen Arbeiterfamilie in Grenchen (SO) aufgewachsen ist, schlug sie den pädagogischen Weg mit dem Besuch des Primarlehrerseminars in Solothurn ein.
Als Frau in der Männerdomäne
Schon damals, anfangs der 60er-Jahre, habe akuter Lehrermangel bestanden. «Ich habe während meiner Laufbahn so einige grosse Lehrernachfrageperioden erlebt. Meist gefolgt von einem Überfluss», erklärt Giger. So durfte sie noch während ihrem letzten Seminarsemester bereits eine Klasse in Winznau unterrichten. «Nur dank dem Männermangel wurde mir eine 4. und 5. Primarklasse zugeteilt. Eigentlich herrschte ja damals noch der Tenor, dass weibliche Lehrkräfte vor allem für Kindergärtner und 1. bis 2. Primarschüler taugen und die oberen Klassen für männliche Lehrpersonen vorgesehen sind», zeigt die 71 Jährige die damaligen Geschlechterrollen auf. Frauen hätten sich durchkämpfen und erst beweisen müssen. Auch dies lernte Heidi Giger am eigenen Leib kennen. Nach anfänglicher Skepsis, ob eine Frau dieser Unterrichtsaufgabe wohl gewachsen sei, verdiente sie sich ihren Respekt und durfte nach wenigen Jahren fortan sogar die 5./6. Primarklasse übernehmen. «Dies aber auch nur, weil der vorherige Lehrer öfters durch militärische Pflichten abwesend war und so plötzlich der Vorteil an einer weiblichen Lehrkraft entdeckt wurde», erklärt sie lachend und fügt an: «Damals hatten Frauen ja noch nicht einmal politische Rechte.» Nachdem die Oberstufenklassen von den einzelnen Dörfern Winznau, Lostorf, Obergösgen und Stüsslingen im Kreisschulhaus Mittelgösgen zusammengefasst wurden, waren jedoch vor allem Frauen in der Winznauer Primarschule tätig und die geschlechtsspezifische Klassenverteilung verschwand. «Mein Mann Oskar war als Seklehrer in Winznau tätig, wo ich ihn auch kennen und lieben lernte. Er erlebte aktiv den Aufbau und Fortgang des Projektes Kreisschule mit.»
Mit den Winznauern nach Paris
Sie habe eine unvergessliche Zeit in Winznau erleben und so einige tolle Projekte durchführen dürfen. «Nachdem das Frühfranzösisch eingeführt wurde, war der Weg für Austauschprogramme mit französisch sprechenden Schülern geebnet.» So besuchte sie mit ihren Klassen bspw. eine Schule in Saint-Louis im Elsass und ihre Schützlinge standen in regelmässigem Kontakt mit den französischen «Gspändli». «Ab 1992 war ich mit meinem Mann ausserdem im Vorstand der Organisation «Eurelem» aktiv, welche Austausche zwischen Primarschülern europäischer Länder aktiv förderte.» Dies sei auch die Anfangszeit für spätere Projekte wie dem heutigen «Erasmus» gewesen. «Durch Eurelem bekam ich mit meinen Klassen sogar die Möglichkeit Schüler aus Othis, einem Vorort von Paris, in Winznau zu empfangen und umgekehrt mit meinen Mädchen und Jungen Paris zu entdecken», erzählt Giger und zeigt auf Fotos mit strahlenden Kindern, auf deren T-Shirts gross eine Schweizerflagge oder die «Tricolor» von Frankreich prangt. «Heute besitzen die Lehrer leider viel weniger Freiheiten und solche Projekte sind mit Bewilligungen und extremem bürokratischen Aufwand verbunden.»
Über 14 Musicals
Nebst ihrer Lehrertätigkeit unterrichtet Heidi Giger bis heute Gymnastik und Tanz. «Früher noch im Jugend und Sport und an Lehrerfortbildungen, leite ich heute das Lehrerinnenturnen in Olten. Ich bin in einer Turnerfamilie gross geworden und liebte schon immer die Bewegung zur Musik.» Da ihr verstorbener Mann Oskar ein Musiker und Komponist im Herzen war, fanden die beiden schnell eine Möglichkeit, ihre Talente zu vereinen, wofür sie 2003 sogar mit dem Prix Wartenfels ausgezeichnet wurden. «So entstanden im Laufe der Jahre über 14 Musicals, die wir in der Kreisi Mittelgösgen und nach unserer Pensionierung auch in verschiedene Schulen der Region aufführen durften.» So sangen Schüler von Oberbuchsiten oder Däniken bis nach Olten die von Oskar Giger geschriebenen, lebensbejahenden Stücke und verkörperten die vom Ehepaar konzipierten Rollen auf grösseren und kleineren Bühnen. «Es war immer toll zu sehen, wie viel Selbstbewusstsein und Kraft die Kinder aus einer solchen Erfahrung ziehen.» Noch heute, vier Jahre nach dem Tod ihres Mannes, steht das Klavier, auf welchem all diese Projekte ihren Anfang fanden, mitten im Wohnzimmer und erinnert an vergangene Jahre. «Uns waren auch die Aussagen und Texte unserer Musicals wichtig. Mir persönlich gefällt heute das Lied «E jede Tag isch e bsundrige Tag» vom 1980 aufgeführten «Bärenhäuter» besonders: Schliesslich stellt dies auch mein Lebensmotto dar», so Giger lächelnd. Alle Musicals sind bis heute in Liederbüchern und auf CD’s verewigt und zeugen von einem aktiven, innovativen und engagierten Leben.