Ein Leben in zwei Kulturen
Karthiya Kirupa Im Teenageralter flüchtete sie aus ihrem Heimatland Sri Lanka und startete hier - ein neues Leben. Karthiya Kirupa berichtet, wie sie - sich an die fremde Kultur gewöhnte.

Karthiya Kirupa entschied sich 1994 Hals über Kopf ihr Land zu verlassen, um dem brutalen Bürgerkrieg in Sri Lanka zu entkommen. «Mein Vater lebte bereits seit 1990 in der Schweiz, meine Mutter folgte ihm mit zwei meiner jüngeren Geschwister drei Jahre später. So war die Wahl für eine Flucht in die Schweiz naheliegend», so Kirupa.
Fremdes Land, fremde Kultur
Die Sri Lankerin hatte vor ihrer Ankunft im Asylzentrum Basel keinerlei Kenntnisse der Schweiz und bemerkte schon bald die vielen kulturellen Unterschiede der zwei Länder. «Abgesehen von der Kälte und der komplett anderen Landschaft, fiel mir sofort der rege Körperkontakt zwischen den Schweizern auf. Man schüttelt mit Fremden die Hand, gibt sich sogar Küsschen zur Begrüssung oder hat keine Hemmungen, seine Liebe zum anderen Geschlecht öffentlich zu zeigen. Dies wäre in Sri Lanka unvorstellbar», erzählt Kirupa schmunzelnd. Auch die Sprachbarriere war anfangs sehr gross, da sie keinerlei Verbindung zu ihrer Muttersprache aufbauen konnte. Da ihre Eltern bereits eine Wohnung in Olten besassen, konnte sie das Asylzentrum schnell verlassen und sich so an die neue Umgebung gewöhnen.
Neue Perspektiven
Dort begann sie, Sprachkurse zu besuchen und sich so langsam mit dem Deutsch anzufreunden. Die besseren Deutschkenntnisse ermöglichten Karthiya Kirupa eine berufsbegleitende Ausbildung als kaufmännische Angestellte im KV Olten. Auch bei Caritas konnte sie von ihren Sprachkenntnissen profitieren und sammelte ab 1997 erste berufliche Erfahrungen als Dolmetscherin. «Der kulturelle Austausch faszinierte mich und liess mich die Schweizer Kultur besser verstehen», berichtet Kirupa. So liess sich Karthiya Kirupa in diesem Bereich weiterbilden und sammelte praktische Erfahrungen bei der kulturellen Vermittlung in Spitälern oder in Gerichtsverhandlungen. 1999 heiratete sie ihren Jugendfreund aus Sri Lanka, der für sie in die Schweiz auswanderte. Auch ihr Mann fand schnell Gefallen an der fremden Kultur und beherrschte die deutsche Sprache durch die Unterstützung seiner Frau innert kurzer Zeit.
Herber Rückschlag
2000 befand sich die Sri Lankerin mitten in ihrer KV-Ausbildung und hatte durch ihre Arbeit bei Caritas die neue Kultur kennen und schätzen gelernt. Dann geschah das Unvorstellbare. Ihr Asylantrag wurde vom Bundesamt für Migration abgelehnt und sie, sowie ihr Mann, wurden gebeten, das Land innert drei Monaten zu verlassen. «Für mich brach eine Welt zusammen. Mein Leben fand doch in der Schweiz statt», erinnert sich Kirupa. Der Bundesamtsentscheid kam völlig überraschend. Als Grund sei eine nicht genügende Integration angegeben worden, da sie sich für eine Heirat mit einem damals extern lebenden Sri Lanker entschieden habe, so Kirupa. Weiter sah man ihre Lebenschancen in Sri Lanka aufgrund ihres hohen Bildungsgrades als sehr gut an. Verzweifelt zog Kirupa einen kantonalen Rechtsberater bei und legte Rekurs gegen den Bundesentscheid ein. Nach monatelangem Bangen erhielten die Kirupas endlich den erlösenden Brief und durften ihr Leben in der Schweiz fortsetzen. «Ich war überglücklich und konnte mich wieder voll auf meine Ausbildung konzentrieren», berichtet Kirupa lächelnd. Seit 2008 sind Karthiysa Kirupa und ihr Ehemann eingebürgert.
Neuer Beruf
Kurz nach dem Schock begann für Karthiya Kirupa ein neuer Lebensabschnitt. Sie trat ihre Dolmetscherstelle bei HEKS an. 2004 wurde erstmals eine schweizerische Ausbildung für das neue Berufsfeld «interkulturelle Übersetzerin» angeboten, welche Karthiya Kirupa 2009 mit Bravour abschloss. «Eine interkulturelle Übersetzerin übersetzt nicht nur, sondern vermittelt bei kulturellen und religiösen Unterschieden und versucht so für beide Parteien eine angenehme Gesprächsbasis zu schaffen», erklärt Kirupa. Mittlerweile ist sie als interkulturelle Übersetzerin für Stellen wie das Kantonale Migrationsamt Aargau und Solothurn, HEKS AG/SO oder auch AOZ, eine öffentlich-rechtliche Anstalt der Stadt Zürich, tätig. «Mein Beruf ist sehr vielseitig. Ich bin beispielsweise auch als Telefondolmetscherin schweizweit für jegliche Themenbereiche tätig oder vermittle bei Polizeiarbeiten», erzählt Kirupa.
Familienglück
Mittlerweile zählen zur FamilieKirupa drei Kinder im Alter von20 Monaten bis sieben Jahren. «Meine Kinder wachsen in zwei Kulturen auf und sollen beide kennenlernen. Deshalb ziehe ich sie zweisprachig auf und vermittle ihnen meine tamilische Muttersprache durch gemeinsames Lesen und Schreiben», so Kirupa. Die interkulturelle Übersetzerin ist überzeugt, dass es Kindern leichter fällt, neue Sprachen zu lernen und fremde Kulturen zu verstehen, wenn sie ihre eigenen Wurzeln kennen und die Ahnensprache beherrschen.
Ehrenamtliche Arbeit
Aufgrund dieser Überzeugung engagiert sich die Sri Lankanerin seit 2010 als ehrenamtliche Mitarbeiterin beim Begegnungszentrum Cultibo in Olten. «Das Cultibo stellt für mich ein Pol für bilaterale Integration dar und ich möchte helfen, dieses aufrecht zu erhalten», macht Kirupa ihren Einsatz verständlich. Dabei bleibt ihre eigene Weiterbildung nicht auf der Strecke. Im September 2013 schliesst sie ihre Masterthesis «Transkulturelle Kompetenzen in Elternarbeit» (Ressourcen orientierte Elternarbeit) an der IKF (Institut für Kommunikation und Führung) in Luzern ab. Diese soll Lehrpersonen als Ratgeber für den Umgang mit tamilischen Kindern dienen. Karthiya Kirupas hat somit viele weitere Projekte in Planung, um den Umgang und das Verständnis zwischen Kulturen zu verbessern.