Fast drei Jahre auf Achse

Unvergessen Mit 60 liess sich Heinz Studer frühpensionieren. Ein gutes Jahr später siedelte er mit seiner Frau Trudy nach Australien über und begann bald darauf einen fast drei Jahre dauernden Roadtrip durch das riesige Land.

Trudy und Heinz Studer erkundeten mit einem Wohnwagen während 34 Monaten weite Teile Australiens. (Bild: ZVG)

Heinz Studer wurde 1943 geboren. Er wuchs in Dulliken als Sohn eines SBB-Werkstattangestellten und einer Hausfrau und Mutter gemeinsam mit einem zwei Jahre jüngeren Bruder auf. Als Heinz elfjährig war, starb sein Vater überraschend an einem Herzversagen. Fortan erzielte die Mutter neben der Witwenrente einen Zusatzverdienst als Hilfskraft in einem Gastbetrieb. Im Anschluss an die obligatorische Schulzeit absolvierte Studer eine Mechanikerlehre bei der Nussbaum AG in Olten und arbeitete danach in einem weiteren Betrieb als Werkzeugschleifer. 1969, mit 26 Jahren, vollzog er einen Berufswechsel und arbeitete die folgenden 33 Jahre als Lokführer bei der SBB. Ende 2003 liess sich der zweifache Vater frühpensionieren. Seine vier Jahre ältere zweite Ehefrau Trudy wurde zu jenem Zeitpunkt regulär pensioniert. Ein gutes Jahr später wanderte das Paar nach Australien aus und verliess das Heim in Dulliken.

 

«Wir waren 1999 zwei Monate und dann im Winter 2002/03 sogar drei Monate mit einem Wohnmobil in Australien unterwegs gewesen. Nach dem Antritt des Ruhestandes fanden wir, es wäre doch was, nach Australien auszuwandern. Reiseerfahrung hatten Trudy und ich genügend gesammelt. Wir hatten mal zusammen eine Weltreise unternommen, mal China bereist. Und auf unserer Hochzeitsreise 1991 hatte ich mir meinen Traum erfüllt: eine Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn.

Bei den beiden längeren Ferienaufenthalten in Australien hatte es uns dort sehr gut gefallen. Die Landschaft und die Tierwelt faszinierten uns. Dort ist man auch nicht so eingeengt wie in der Schweiz, hat viel mehr Platz. Und beim Entscheid, nach Australien überzusiedeln, half auch eine meiner beiden Töchter mit. Sie wohnte zu jener Zeit bereits in Australien. Sie unterstützte uns zu Beginn – etwa mit der englischen Sprache. Die ersten drei Wochen nach dem Auswandern wohnten wir bei dieser Tochter. In dieser Zeit kauften wir uns einen Wohnwagen und zogen dann in einen Caravan Park. Dort rüsteten wir den Wohnwagen und vor allem das Auto aus, um alles verstauen zu können. Am 18. Juni 2005, mehr als zwei Monate nach unserer Ankunft am 30. März, startete in Yeppoon an der Ostküste unser Roadtrip – er sollte fast drei Jahre dauern. Am 7. April 2008 kehrten wir zurück.

Manchmal blieben wir eine Nacht am selben Ort, manchmal drei Wochen. Meine Frau fuhr ebenfalls, allerdings weniger oft als ich. Das Auto war relativ gross, und der Wohnwagen wog zwei Tonnen. Meistens übernachteten wir auf Campingplätzen. Ganz wenige Ausnahmen bildeten die Nächte im Outback – ohne Wasser, ohne Strom, ohne WC. Wir wollten das auch erleben und verbrachten bewusst die eine oder andere Nacht im Outback.

Meine Frau hatte im Vorfeld gesagt: ‹Ich komme mit nach Australien. Aber ich will nicht, dass du alles von A bis Z planst.› Bei der früheren Ferientour mit dem Camper hatte ich die Reise ein wenig zu genau geplant. Nun wollte Trudy etwas mehr Raum für Spontanität haben.

Wir sahen viel von Australien. Auch in Tasmanien hielten wir uns zum Beispiel sieben Wochen lang auf. Am besten gefiel es mir im Outback. Da herrscht die grosse Freiheit. Ich glaube, ich könnte im Northern Territory leben. Es ist einfach schön dort. Da ist das grosse Nichts. Nur vereinzelt ein paar Häuser.

Wenn man fast vier Jahre unterwegs ist, erlebt man so einiges. Einmal starteten wir in Broome eine Fahrt ins Outback in Nordwestaustralien. Wir waren vielleicht eine Stunde lang unterwegs in der Einöde – ohne Bäume, ohne Häuser. Ab CD hörten wir Musik. Doch plötzlich nahmen wir vom Motor her ein seltsames Geräusch wahr. Das gefiel mir nicht. So hielt ich an und schaute nach. Von den drei Keilriemen war einer kaputt – und zwar der wichtigste, jener, der die Batterie lädt. Bis zur nächsten Garage in der angepeilten Destination wären es noch 600 Kilometer Fahrt gewesen. Wir bibberten einen Moment.

Als wir dort auf dem Highway standen und unter die Motorhaube schauten, hielt ein Fahrzeug neben uns. Zwei Angestellte der australischen Telekommunikationsgesellschaft stiegen aus. Sie sagten, man könne den Keilriemen behelfsmässig flicken mit Strumpfhosen. Allerdings sei es in diesem Fall wegen des hohen Gewichts des Wohnwagens nicht ratsam, es bis zum nächsten Etappenziel schaffen zu wollen. Wir sollen besser in die Stadt zurückfahren und uns den Schaden beheben lassen. Also entschieden wir uns zur Rückfahrt nach Broome und liessen uns dort sämtliche drei Keilriemen durch neue ersetzen.

Weitere Pannen beklagten wir nicht. Wir erlitten zum Glück auch nie einen Unfall. Aber wir sahen welche. Ich erinnere mich an einen, als ein alter Wohnwagen auf dem Dach lag und alle Kleider und Haushaltsgegenstände verstreut herumlagen. Ein anderes Mal überholte uns ein Lastwagen. Es hatte eben zu regnen begonnen, nachdem es zuvor wochenlang trocken gewesen war. Die Strasse war entsprechend seifig. Vor einer kleinen Kurve sagte ich zu Trudy: ‹Du wirst sehen, das wird den jetzt gleich überstellen.› Und tatsächlich kam es genau so. Wir hatten zum Glück genügend Abstand, so dass uns nichts passierte.

Ein eindrückliches Erlebnis war ein Flug mit einem Postflugzeug, einem Achtplätzer. Von halb sieben am Morgen bis nachmittags um halb zwei begleiteten wir einen ‹Postman› bei seiner Aufgabe. Im Flugzeug befanden sich der Pilot, der Pöstler und meine Frau und ich. An fünf Orten landeten wir. Keine einzige dieser Landebahnen war geteert. An zwei Orten rannten Kühe weg, als wir landeten. Dieser Flug gefiel uns ausgezeichnet.

Gekocht haben wir meistens selbst. Morgens Frühstück, Mittagessen zwischen zwei und fünf Uhr nachmittags, und dann abends nochmals etwas. Selten sind wir auch auswärts essen gegangen. Ab acht Uhr abends schaute meine Frau meist TV – wir hatten einen Fernsehapparat im Wohnwagen -, ich schrieb Tagebuch und führte Buchhaltung. Einmal wohnten wir auch sechs Wochen lang im Haus eines früheren Bekannten, der mittlerweile in Australien zuhause war. Wir hatten ihn zuvor schon besucht. Nun wollte er mit seiner Frau verreisen. Als er mich anrief und fragte, ob wir währenddessen in ihrem Haus wohnen würden, waren wir 1000 Kilometer entfernt. Aber wir sagten zu. Während des dortigen Aufenthaltes mähten wir den Rasen, leerten den Kehricht – ganz so, als ob wir da wohnen würden.»

 

Nach dem langen Roadtrip durch Australien kehrte das Paar in die Schweiz zurück und verkaufte das noch immer ihnen gehörende Haus in Dulliken. 2009 flogen die Beiden wieder nach Australien und bezogen dort ein Haus in Yeppoon, wo sie fortan lebten. Als Heinz Studers Frau Ende 2021 nach schwerer Krankheit 82-jährig verstarb, bereitete Studer seine Rückkehr in die Schweiz vor – entgegen der ursprünglichen Absicht. Vor Jahresfrist, im Dezember 2022, kehrte Heinz Studer ins Niederamt zurück. Der 80-Jährige wohnt heute in einer Alterswohnung in Lostorf.

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