Schauen – Denken – Handeln

Domenico Maiolo Als italienisch-schweizerischer Doppelbürger wuchs Domenico Maiolo an der - Industriestrasse in Olten auf. Diese Zeit hat ihn geprägt und vermutlich auch abgehärtet.

Domenico Maiolo mit dem Schatz des, nach eigener Aussage, besten Caches, den er je gefunden hat.Noëlle König)
Domenico Maiolo mit dem Schatz des, nach eigener Aussage, besten Caches, den er je gefunden hat.Noëlle König)

Als 30-jähriger macht Domenico Maiolo einen Job, der wohl manch einer mit mehr Lebenserfahrung nicht so einfach ausführen könnte. Er ist Lokführer bei der Betriebswehr der SBB in Olten. Das sind diejenigen, die ausrücken, wenn irgendwo ein Zug wegen einem technischen Defekt stehen bleibt, und auch bei Personenunfällen sind sie als Einsatztruppe vor Ort. Ob seine Kindheit dafür gesorgt hat, dass er mit solchen Situationen umgehen kann, kann er selber auch nicht sagen.

«So will man nicht enden»

Geboren ist Maiolo, der von seinen Freunden nur «Pippo» genannt wird, als ältester Sohn von italienischen Eltern in Solothurn. Seine Schwester ist 10 Jahre jünger als er. Aufgewachsen ist er an der Industriestrasse in Olten. «Das war schon speziell. Meine Eltern wollten auch immer genau wissen, wo ich war, weil sie sich Sorgen machten», erzählt Maiolo. Aufpassen war auch wichtig, denn sein Schulweg führte eine Strasse entlang, deren Bild damals von Spritzen und Kondomen geprägt war. Es sei mehr als einmal vorgekommen, dass er einen Drogensüchtigen irgendwo liegen sah. Und natürlich die Prostituierten, die sowohl im Sommer, wie auch im Winter auf der Strasse standen und ihm auch schon mal zu pfiffen, wenn er mit seinem Mofa auf dem Nachhauseweg war. «Unsere Eltern haben uns natürlich erklärt, wie gefährlich all das Zeugs ist, was wir fast täglich auf der Strasse sahen. Aber das war eigentlich gar nicht nötig, wenn man das so nah mitbekommt, weiss man selber, dass man nie so enden will», sagt Maiolo überzeugt.

«Eigentlich mag ich Kälte»

Bereits früh fing er an Eishockey zu spielen, um etwas Gescheites mit seiner Freizeit anzufangen. Er spielte beim EHC Olten bis zu den Junioren Top, in der dritten und vierten Liga und beim EHC Aarau, da diese beiden Mannschaften die Junioren austauschten. Nach der obligatorischen Schulzeit machte er eine Lehre als Elektromonteur. Dann trat er seinen Militärdienst in Bièrre Kanton Waadt an. «Ich mag es ja eigentlich, wenn es kalt ist. Aber in Bière habe ich es kaum ausgehalten», sagt Maiolo mit fast ein bisschen zitternden Lippen. Insgesamt war er 13 Monate und einen Tag am Stück im Militär.

Ein Tag Arbeit, ein Tag frei

Endlich wieder längerfristig zu Hause, hörte Maiolo 2006 definitiv mit dem Eishockey auf und trat der Feuerwehr bei. Dort ist er heute Gruppenführer in der Einsatzgruppe und in der First-Responder-Gruppe. «Das ist die Herz-Notgruppe. Jene, die bei Verdacht auf einen Herzinfarkt ausrücken», erklärt Maiolo. Durch seinen Einsatz bei der Feuerwehr kam er dann zur Betriebswehr der SBB in Olten. Er sagt: «Wir sind die, mit dem grossen roten Lösch- und Rettungszug, die kommen, wenn irgendwo auf der Strecke ein Problem auftaucht.» Ihr Einsatzgebiet erstreckt sich bis Aarau, ins Seetal, ins Entlebuch, nach Luzern, Sissach, Burgdorf bis Solothurn und entlang der Neu- und Ausbaustrecke. 16 Personen arbeiten in dieser Abteilung. «Bei uns wird im Schichtbetrieb gearbeitet. Das heisst, man arbeitet 24 Stunden, dann hat man 24 Stunden frei, dann arbeitet man wieder 24 Stunden», erklärt Maiolo. So seien unter der Woche immer vier Männer im Stützpunkt und somit innerhalb von fünf Minuten einsatzbereit. Am Wochenende wird von zu Hause aus Pikett-Dienst geleistet. Da müsse man innerhalb von 15 Minuten im Depot sein. «Das ist nicht immer einfach, so zu arbeiten, da man oft nicht bei seinen Lieben zu Hause sein kann», sagt Maiolo. Natürlich hätten sie im Depot einen Containerbau mit Schlafplätzen, Aufenthaltsräumen, Küche und Badezimmer, so sei man zwar irgendwie schon zu Hause, aber eben doch nicht.

«Man lernt damit umzugehen»

Die Betriebswehr wird gerufen, wenn es irgendwo brennt, um zu löschen, wenn ein Zug wegen eines technischen Defekts nicht weiter fahren kann, um zu helfen und eventuell die Passagiere zu evakuieren, wenn ein Zug entgleist ist, um ihn wieder aufzugleisen und auch, wenn sich ein Personenunfall ereignet hat. Dabei sei es ihre Aufgabe, die Polizei und die Sanität zu unterstützen, dem Lokführer erste Hilfe zu bieten, wenn notwendig die Unfallstelle zu beleuchten und auch am Schluss die Reinigung der Gleise. «So etwas ist kein schöner Anblick. Und man lernt auch nicht damit zu leben, aber damit umzugehen», sagt Maiolo. Wegen solchen Situationen sei es auch wichtig, dass immer vier Leute im Einsatz sind, denn: «Wenn man sich so einer Situation an einem Tag nicht gewachsen fühlt, kann man das sagen und dann wird einem eine andere Aufgabe zugeteilt.» Das Wichtigste sei, dass man zu sich selbst ehrlich ist, denn sonst bringe man eventuell nur sich selbst und andere in Gefahr. «Egal ob ich mit der Feuerwehr oder der Betriebswehr unterwegs bin, das Wichtigste ist immer, dass alle wieder heil nach Hause zu ihren Liebsten kommen», betont Maiolo.

Schatzsuche um abzuschalten

In seiner Freizeit macht Maiolo Geocaching. Dabei gehe es darum, irgendwo anhand von Koordinaten mit einem GPS-Gerät einen kleinen Schatz (Behälter mit Log-Buch) zu finden. «Durch Geocaching entdeckt man die schönsten Orte und lernt interessante Leute kennen», sagt Maiolo. Denn vom Bauarbeiter über den Polizisten bis zum Lehrer sei Geocaching in allen sozialen Schichten verbreitet. Er brauche das, in der Natur zu sein, als Ausgleich und um abzuschalten. Aber eines haben seine Arbeit bei der Betriebswehr, sein Einsatz bei der Feuerwehr und die Suche beim Geocaching gemeinsam: Zuerst müsse man schauen, das heisst die Situation überblicken, dann (nach-)denken, was zu tun ist, und erst dann handeln.

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