Trouvaillen aller Art
Urs Wüthrich Der Oltner sammelt leidenschaftlich Antiquitäten und Bücher. - Einen Teil seines Sammelsuriums verkauft er in der neu eröffneten Hammer-Brocki. Wüthrich lebt ohne Fernseher, Computer und Radio.

Der gebürtige Langenthaler zog 1974, im Alter von15 Jahren, mit seinen Eltern in die Eisenbahnerstadt. Heute bezeichnet er sich als Oltner. Ob es ihm von Beginn an hier gefallen habe? «Nein, überhaupt nicht! Ich wurde vor dem letzten Schuljahr aus meinem Umfeld gerissen und musste meine Freunde verlassen.» Er fand sich jedoch nach und nach mit der Situation ab und lebte sich in der Dreitannenstadt ein. Seine Eltern besorgten ihm eine Lehrstelle bei der Bahn, als Betriebsdisponent. Die Lehre brach er zwei Monate vor dem Abschluss ab. «Ich war mit dem Job nicht glücklich. Zudem waren es die 70er-Jahre, man war aufmüpfig und ungehorsam», erklärt Wüthrich lachend. Für seine Mutter sei nach seiner Entscheidung eine Welt zusammengebrochen, sie benötigte eine lange Zeit, um dies zu verarbeiten. Nach der abgebrochenen Lehre absolvierte der Oltner eine Anlehre als Dreher in der Metallverarbeitung, anschliessend schlug er sich mit Gelegenheitsjobs durch.
Start in die Selbstständigkeit
Vor mehr als 20 Jahren beschlossen Urs Wüthrich und seine Lebensgefährtin Eda Dick, sich selbstständig zu machen. Während eines Jahres besuchten sie verschiedene Märkte in Schweizer Städten und verkauften ihre Ware. «Wir wollten aber lieber einen eigenen, festen Platz.» So gründeten die Beiden die Walhalla-Boutique in Olten. «Es war die Zeit des Punks, Gothics und New Wave. Uns gefielen diese neuen Trends sehr gut und so verkauften wir Kleidung in diesem Stil», erklärt Wüthrich. Viele der Kleidungsstücke stammten aus England. Er und Eda besuchten regelmässig Märkte und Geschäfte auf der Insel. «Da die Engländer ebenfalls grosse Fans von Antiquitäten sind, war das für mich wie im Paradies», erklärt Wüthrich lachend. Nebst dem Walhalla führte das Paar mehrere Tattoo-Meetings und Modeshows in der Region durch. «Es ging zwar nicht immer sehr hygienisch zu und her, dafür hatten wir tolle Partys. Aber was nützt die beste Hygiene, wenn die Stimmung schlecht ist», lacht Wüthrich. Seit über 20 Jahren sind er und Eda Dick ein Paar und arbeiten tagtäglich zusammen. Die Beiden lernten sich durch einen gemeinsamen Freundeskreis kennen und aus Freundschaft wurde eines Tages Liebe. Wüthrich erklärt, dass die Zusammenarbeit sehr gut funktioniere, sie seien sich meistens einig. Sie wohnen hingegen nicht zusammen, beide verfügen über ihre eigenen vier Wände. «Wenn man den ganzen Tag zusammen ist, muss man ab und zu auch alleine sein.» Nach mehr als 20 Jahren in der Walhalla-Boutique beschloss das Paar, eine neue Richtung einzuschlagen: Am letzten Donnerstag wurde ihre geräumige Hammer-Brocki eröffnet.
Bücher und Schallplatten
Urs Wüthrich lehnt die Globalisierung und die digitale Welt vollständig ab. «Ich sehe nichts Gutes darin. Man kann mit der ganzen Welt vernetzt sein und trotzdem ist es unpersönlich. Ich führe lieber gute und anregende Gespräche und sehe den Menschen dabei in die Augen», erklärt der Oltner seinen Standpunkt. Lediglich über ein Mobiltelefon verfügt er, aber nur aus beruflichen Gründen. Um alles andere im Zusammenhang mit digitalen Geräten kümmert sich seine Freundin. Auch in weiten Reisen sieht er keinen grossen Sinn: «Ich persönlich glaube nicht, dass die Welt auf mich wartet», erklärt Wüthrich bodenständig. Zudem verfügt er über keinen Führerausweis. Er ist viel mit dem Zug oder zu Fuss unterwegs. Das Paar reist jedoch gerne in die Schweizer Berge. Eine seiner grössten Leidenschaften ist die Literatur. «Ich besitze etwa 2000 Bücher zu Hause», lacht er. Wüthrich liest keine Romane, sondern Fachliteratur und Biografien aller Art, von Geschichte über Kulturelles bis hin zu Abhandlungen über Randgruppen. «Vor kurzer Zeit habe ich einem älteren Herren eine ganze Bibliothek mit etwa 12‘000 Bücher abgekauft», erklärt er stolz. Er wollte verhindern, dass die Bücher vernichtet werden. Einen Teil davon verkauft er nun in seiner Hammer-Brocki. Auch die Musik und die dazugehörigen Schallplatten sind für den Oltner sehr wichtig. Ab und zu legt er sogar selber auf, beispielsweise am alljährlichen Hammer-Revival. «Aber ich mache natürlich nichts Digitales», erklärt er schmunzelnd. Ein Instrument spielt er hingegen nicht.
Ware der Elterngeneration
Wüthrich besucht gerne Antiquitätenhäuser und Flohmärkte. Er ist ein grosser Fan von alten Stücken. «Unsere Eltern und Grosseltern verfügten noch über richtig gute Ware. Es wäre doch schade, all diese Schätze weg zuwerfen. Ausserdem belastet unsere Wegwerfgesellschaft die Umwelt stark», erklärt er. Aus dieser Leidenschaft heraus beschloss das Paar Wüthrich/Dick, eine eigene Brockenstube zu eröffnen. Dort verkaufen sie alles Mögliche, von Möbeln und Gemälden über Kleider bis hin zu einer Riesenauswahl von Büchern. Besonders stolz ist Wüthrich auf eine etwa 200 Jahre alte Wohnwand aus einem solothurnischen Patrizierhaus. Diese konnte er kostenlos erwerben und stellt sie nun in seiner Brockenstube aus. «Das Schmuckstück verkaufe ich aber nicht», stellt der Sammler lachend klar. Wenn Urs Wüthrich erzählt, merkt man als Zuhörer rasch, wie viel ihm seine antiken Schätzebedeuten.