«Von nichts kommt auch nichts»
Fritz Lüthi kämpft sich mit viel Elan, Stärke und Freude durch sein Leben - auch wenn einzelne Steine im Weg liegen.

Er sei ein Oltner im Herzen. Aufgewachsen in der Eisenbahnerstadt, absolvierte Fritz Lüthi seine Elektrikerausbildung bei ATEL, heute Alpiq. Nach seiner Lehre besuchte der 63-Jährige die Meisterschule in Winterthur, welche er als eidg. dipl. El.-Installateur abschloss. «Bereits mit 26 Jahren hatte ich glücklicherweise schon einiges in meinem beruflichen Leben erreicht und konnte darauf aufbauen», erinnert er sich heute zurück. Nebst dem beruflichen Weg hatte sich Lüthi auch privat entwickelt und war damals frisch mit seiner Jugendliebe verheiratet. «Wir planten unsere gemeinsame Zukunft mit Familie und Haus.»
Verhängnisvoller Unfall
Doch wie oftmals im Leben kam alles anders. Vor 35 Jahren war der schicksalshafte Tag. «Ich war auf dem Weg zu Schulkollegen für eine Prüfungsvorbereitung, als sich der Autounfall ereignete», erzählt Lüthi. Als Resultat des schweren Verkehrsunfalles wurde er 15 Monate im damaligen Schweizer Paraplegikerzentrum in Basel stationär behandelt. «Nach der Diagnose Tetraplegie musste ich alles von Grund auf neu erlernen und mich mit meinem neuen Leben im Rollstuhl zurechtfinden.» Bis heute sagt Lüthi, er habe zwar gelernt, mit seiner Beeinträchtigung zu leben, doch akzeptiert habe er sie nicht. Nach seinem Aufenthalt im Paraplegikerzentrum zog das frischvermählte Paar in eine geeignetere Wohnung nach Trimbach um und passte ihr Zusammenleben den neuen Umständen an. «Um meine Frau zu entlasten, half uns die Spitex bei den täglichen Herausforderungen.»
Enormer Durchhaltewillen
Doch auch beruflich wollte Fritz Lüthi seinen eingeschlagenen Weg fortführen. «Zwei Jahre nach meinem Unfall holte ich die begonnene Weiterbildung nach und schloss meine Diplomprüfung zum Telematiker ab», erzählt der Rollstuhlfahrer und fügt an: «Ich wollte mir auf diese Weise auch ein Stück weit beweisen, dass ich zwar mit einer körperlichen Beeinträchtigung leben muss, jedoch meine geistigen Fähigkeiten dieselben geblieben sind.» So blieb Fritz Lüthi auch nach dem Unfall in seinem Beruf tätig. «Um der Spitex etwas zurückzugeben, half ich zudem nebenbei im Vorstand mit und führte die EDV ein. Anschliessend hatte ich von 1996 bis 2005 eine leitende Funktion bei CSB Telekom inne.» Heute kümmert er sich von zu Hause aus um die Finanzen eines Headhunting-Unternehmens und engagiert sich in kleineren Projekten. Wie schwerwiegend die körperlichen Beeinträchtigungen jedoch sind, wurde Lüthi bei beruflichen sowie alltäglichen Tätigkeiten bewusst. «Als Tetraplegiker sind nicht nur meine Beine gelähmt, sondern auch meine Hände und Finger sind nicht voll funktionstüchtig», erklärt er. So kann Lüthi nur mit zwei seiner Finger einen Gegenstand ergreifen. «Doch trotz dieser Umstände ist es mir wichtig, dass ich mein Leben möglichst ohne fremde Hilfe meistern kann und suche immer wieder neue Wege, um meine Tagesabläufe zu optimieren», erzählt derTetraplegiker und fügt an: «Ich bin sehr streng mit mir und versuche mich so, immer wieder zu neuen, kleinen Erfolgen zu pushen. Ganz nach meinem Motto: Von nichts kommt nichts.» Jedoch habe er auch das grosse Glück, sich auf sein Umfeld verlassen zu können. «Nach der Trennung von meiner Frau lebte ich eine Zeit lang alleine. Doch bei Not am Mann konnte ich mich immer auf Freunde, Familie und Nachbarn verlassen, wofür ich sehr dankbar bin», so Lüthi lächelnd. Auch nach der Heirat mit seiner zweiten Ehefrau Ruth sei die Hilfe seines Bekanntenkreises immer noch enorm wertvoll für ihn.
Endlich wieder am Steuer
Im Laufe der letzten 35 Jahre fand Lüthi immer wieder neue Möglichkeiten, um sein Leben zu erleichtern. So wollte der heutige Hägendorfer auch nicht akzeptieren, dass seine Beeinträchtigung ihn sein Leben lang vom Autofahren abhalten soll. «Als Tetraplegiker ist es mir nur mit enormem Aufwand möglich, die öffentlichen Verkehrsmittel zu benützen. Autofahren bedeutet für mich somit, endlich wieder mobil zu sein und am öffentlichen Leben teilnehmen zu können.» Fünf Jahre nach seinem Verkehrsunfall erfüllte sich dieser Wunsch. In den Medien erfährt Fritz Lüthi von Johannes Bolligers Projekt, Autos so umzubauen, dass sie ohne Fusseinsatz steuerbar sind. «Nach einigen Testläufen war klar, dass durch diese Anpassung Autofahren auch mit meiner Beeinträchtigung möglich ist und ich konnte endlich wieder hinters Steuer sitzen. Das war ein unbeschreiblicher Moment», erinnert sich Lüthi lächelnd. Doch trotz der neugewonnenen Freiheit trifft der Rollstuhlfahrer auch heute immer wieder auf Hindernisse, so z.B. im neuen Parkhaus des Kantonsspitals Olten. «Einmal wöchentlich muss ich in die Therapie nach Olten und im neuen Parkhaus des Kantonsspitals parkieren. Das Ticket- und Barrieren-System wird für mich somit jedes Mal zum Spiessrutenlauf.» Ohne Hilfe sei es für ihn praktisch unmöglich das Ticket aus dem Automaten zu bekommen, geschweige denn wieder in diesen einzuführen. «Aus diesem Grund bin ich nun mit dem Kantonsspital in Verhandlungen, um eine Lösung mithilfe eines Badge zu finden.»
Pionierarbeit
Dies ist nicht sein erster Einsatz für die Rechte von Menschen mit einer Behinderung. «Ich habe mich lange in der Arbeitsgruppe für hindernisfreies Bauen der Procap engagiert, in welcher wir uns dafür einsetzen, dass Neubauten rollstuhlfreundlich gebaut werden. Ich finde es wichtig, dass man für die Rechte aller Menschen kämpft.» Des weiteren ist Fritz Lüthi seit gut 25 Jahren aktives Mitglied im Rollstuhlclub Solothurn. «Im Club veranstalten wir verschiedenste kulturelle Anlässe und bieten Sportmöglichkeiten an», erklärt das Vereinsmitglied begeistert. So auch beim neusten Tanzworkshop, welcher jeweils im Frühling und Herbst in Nottwil stattfinden soll. «Wir erhalten dabei Tanzunterricht in Foxtrott oder Cha-Cha-Cha von einem Tanzlehrer aus Horw.» Die Tanzpaare bestehen dabei auseinem Fussgänger sowie einem Rollstuhlfahrer. «Bei uns sind somitjegliche Tanzinteressierte herzlich willkommen.» Somit wird Fritz Lüthi wohl auch in Zukunft mit viel Schwung durch sein Leben fahren und seinen eigenen Weg suchen.