«Weisch no z’Oute vor ...?»

Rosmarie Küchler ist seit ihrem zehnten Lebensjahr mit Olten verbunden. Neben der Mobilmachung hat die 91-Jährige so einige Oltner Geburtsstunden miterlebt und war ein Vierteljahrhundert für die Organisation des traditionellen Kunstmarktes zuständig.

«Die Aussicht aus meinem Zimmer geniesse ich täglich», so die 91-jährige Rosmarie Küchler. vwe)
«Die Aussicht aus meinem Zimmer geniesse ich täglich», so die 91-jährige Rosmarie Küchler. vwe)

Sie erinnere sich noch gut, wie der Stadtanzeiger entstanden sei, beginnt Rosmarie Küchler schmunzelnd. «Ich habe nämlich damals in den 1930ern meine kaufmännische Lehre bei der Publicitas in Olten absolviert.» Neben den damaligen drei Tageszeitungen «Volksblatt vom Jura», «Oltner Tagblatt» und «Solothurner Nachrichten», auch «Der Morgen» genannt, habe man ein Medium gesucht, das die gesamte Bevölkerung erreicht und dieses im Stadti gefunden. Zu dieser Zeit sei auch die Mobilmachung in Olten aktuell gewesen. «Im Büro ist der plötzliche Weggang von allen jungen Männern schon aufgefallen. Auch die Fliegerwarnungen und der obligatorische Ortswehrdienst für Frauen liess uns die kriegerischen Ereignisse nicht vergessen. Jedoch fühlten wir uns die ganze Zeit mehr als Zuschauer in dem ganzen Szenario.»

«Ich bin eine Wasserratte»

Nebst der Geburtsstunde von unserer Zeitung kann Küchler auch die Eröffnung des ersten Strandbades bezeugen. «Im Aarebad und im ersten Schwimmbad waren die Schwimmbereiche nach Geschlechtern geteilt. Nach der Eröffnung der heutigen Oltner Badi gab es hitzige Diskussionen, ob ein geschlechtergemischter Badebereich nicht unsittlich sei», erklärt Küchler und fügt schmunzelnd an: «Auch ich bin jeweils um sieben Uhr morgens schwimmen gegangen, um männlichen Begegnungen aus dem Weg zu gehen.» Ihre Liebe zum Wasser habe sie wohl noch von ihrem Geburtsort mitgenommen. Bis zu ihrem zehnten Lebensjahr wuchs Rosmarie Küchler am Walensee auf. «Mit gut drei Jahren habe ich mir das Schwimmen selber beigebracht und war in meiner Jugend auch im SLRG Olten aktiv», erinnert sie sich nicht ohne Stolz.

Der Grossvater als prägende Figur

Nebst ihrer Liebe zum Wasser interessierte sie sich schon seit jeher für kaufmännische Arbeiten, Kunst und Kultur. «Während meiner Oberstufenzeit war ich in den Ferien viel mit meinem Grossvater in der Ostschweiz unterwegs. Er war Sektionschef und unter anderem auf dem Standes- sowie Steueramt tätig.» So durfte Küchler schon als 14-Jährige Registereinträge von Geburten oder Todesfällen vornehmen und die steuertechnischen Hausbesuchen begleiten. «Mir sind dabei immer die verschiedenen Bilder aufgefallen, die die Leute in ihren Wohnzimmer hängen hatten.» Auch ihr Grossvater sei ein Kunstliebhaber gewesen und habe oftmals Auktionen besucht. «Ich habe meinen Grossvater enorm geschätzt und vieles von ihm lernen dürfen.»

Ein Künstler als Ehemann

Nicht nur durch ihren Grossvater, sondern auch ihren Vater und ihren Ehemann wurde Küchlers Weg entscheidend geprägt. «Mein Vater hat von klein auf das Theaterfieber in mir geweckt. Wenn er als Darsteller auf der Bühne stand, habe ich als Kind immer mit seiner Rolle mitgefiebert», lacht sie heute. Auch selber war sie gerne schauspielerisch tätig. «Mit der dramatischen Gesellschaft brachte ich, unter anderen neben Hans Hohler, unzählige Stücke auf die Oltner Bühnen.» Ihr Interesse für alle Arten von Kunst wurde natürlich auch durch ihren 2001 verstorbenen Ehemann Hans «Kü» Küchler, bekannter Oltner Aquarell- und Zeichnungs-Künstler, gefördert. «Durch meinen Ehemann, der neben seiner Malerei auch bei Swiss Tourismus tätig war, bin ich viel herumgereist und habe Hans, der unter Blutzuckerbeschwerden am Fuss litt, täglich gepflegt.» Trotz der Geburt ihrer Tochter hat die Powerfrau immer gearbeitet und diverse Projekte wie den Kunstmarkt, den sie 25 Jahre mit viel Eifer organisiert hatte, gepflegt. «Anfangs war ich halbtags auf der Bürgerkanzlei angestellt, mit der Zeit dann vermehrt im Kunstmuseum Olten unter der Leitung von Peter Killer tätig.»

«Plötzlich bemerkte ich die Natur»

Im Kunstmuseum war Küchler sogar noch bis 2012 am Empfang anzutreffen. Auch ihr verhängnisvoller Sturz im Winter 2012 konnte sie von dieser Verantwortung nicht abhalten. «Es war eisig auf der Kirchgasse und ich bin auf meinen Arm gefallen. Trotzdem wollte ich unbedingt das Museum an diesem Tag für die Besucher öffnen, bevor ich in den Spital ging.» Richtig erholt hat sich ihr Arm seither nicht. «Ist halt doch schon ein alter Arm», bemerkt Küchler lächelnd, ganz ihrer selbstironischen und lebensbejahenden Art entsprechend. Da sie durch ihre Verletzung nicht mehr alle Tätigkeiten im Haushalt selber verrichten kann, lebt die 91-Jährige nun seit gut zwei Jahren im Altersheim Weingarten. «Ich geniesse die wunderbare Aussicht hier und habe zum ersten Mal in meinem Leben die Veränderungen und Schönheiten der Natur bewusst kennen gelernt.» Die meisten ihrer persönlichen Gegenstände seien jedoch noch in ihrer Wohnung an der Konradstrasse. «Die vielen Gemälde und Kunstwerke hätten gar nicht Platz in meinem Zimmerchen hier im Weingarten», schliesst Rosmarie Küchler lächelnd und schaut aus dem Fenster in ihre Stadt Olten.

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