Wenn die Kunst das Leben bespielt

Was macht eigentlich? Madeleine Schüpfer prägte den Kulturjournalismus in der Region über Jahrzehnte. Jetzt ist sie 85 Jahre alt. Geistig wach wie eh und je ist sie ihrer Passion treu geblieben – dem Schreiben und der Kunst.

In Madeleine Schüpfers Wohnzimmer hängt das Bild «Ruth in ihrem Atelier» der bekannten Künstlerin Ruth Kissling, die in Basel wohnt, jedoch aus dem Gäu stammt und mit Schüpfer befreundet ist. (Bild: Caspar Reimer)

Kultur habe immer etwas Elitäres. Ob dieser Worte, die Madeleine Schüpfer einst bei einer Diskussion um die Bedeutung von Kunst und Kultur gewählt hat, rieben sich manche die Augen oder kratzten die Stirn, setzten zu Interpretationen und Erklärungen an, wie die Journalistin, die Jahrzehnte das kulturelle Leben in der Region begleitet und mitgeprägt hat, diesen Satz wohl gemeint haben könnte. Wer die 85-jährige Dame in ihrem Haus am Adam-Zeltner-Weg besucht, sie bittet, die Worte von damals zu erklären, wird gewahr: Einfache und vorgefertigte Antworten gibt es bei ihr nicht. Stattdessen sagt sie Dinge wie: «Wenn man Kultur beschreibt, entsteht daraus eine Form mit einer Aussagekraft, die viel über jenen, der die Kunst interpretiert, erzählt.» Plötzlich stoppt sie und sagt unvermittelt: «Es gibt Menschen, die eine ausgeprägte Sensibilität haben, Dinge spüren und erkennen, die über Alltägliches hinausgehen. Das ist ein Geschenk. Wenn solche Menschen nun ihre Erkenntnisse äussern, wirkt das fast immer elitär, auch wenn es nicht so gemeint ist.»

Von einem elitären Kunst- und Kulturverständnis dagegen hält sie nichts. Die Mitgliedschaft in einer Fasnachtsclique, das Musizieren in einem Orchester, das Spielen und Tanzen auf der Bühne, das Schreiben von Lyrik oder das Erzählen von Geschichten: «All das ist Teil unserer kulturellen Identität, in der jeder seinen Platz finden kann. Das müssen wir bewahren und fördern.»

Der Passion treu geblieben

Mit Beginn der 1970er-Jahre, nach ihrem Studium in Germanistik, Theaterwissenschaften und Kunstgeschichte in Zürich, fing sie an, für Zeitungen in der Region über Ausstellungen, Theateraufführungen und andere kulturelle Ereignisse zu berichten. Ihr Talent für das Schreiben, ihr Gespür und ihre Begeisterung für die Kunst machten sie mit den Jahren für den Kulturjournalismus in Olten unverzichtbar. «Man sagte mir, ich solle auf keinen Fall aufhören», erzählt sie lächelnd. Madeleine Schüpfer ist Trägerin mehrerer Auszeichnungen, verfasste Gedichte, einen Roman, arbeitete an den Oltner Neujahrsblättern mit. Neben ihrer Passion als freiberufliche Kulturjournalistin war sie Deutschlehrerin an der Kaufmännischen Berufsschule in Olten und darüber hinaus von 1993 bis 2001 Oltner Stadträtin.

Die in der Luft liegende Frage, wie sie ihren dritten Lebensabschnitt verbringe, will nicht so recht zu ihr passen, macht sie doch noch immer das, was ihr zeit ihres Lebens das Liebste war. In den kommenden Wochen wird ein neuer Gedichtband von ihr mit unveröffentlichten Werken erscheinen. Zudem begleitet sie Kunstschaffende bei Ausstellungen, schreibt in deren Auftrag Texte, kümmert sich gewissermassen um die Öffentlichkeitsarbeit. Auch für das Oltner Tagblatt schreibt sie hin und wieder eine Kolumne. Selbst auf der Bühne war sie neulich zum Abschluss der Oltner Tanztage zu sehen. Von Beginn weg hat sie diese mitgestaltet und mitgeprägt, nun das Engagement aber abgegeben.

Ihre Fähigkeit, sich auszudrücken, die Worte mit Bedacht zu wählen, ihr Interesse an Menschen, den künstlerischen Talenten sind Madeleine Schüpfer erhalten geblieben: «Im Kopf bin ich voll wach, auch wenn der Körper nicht mehr so mitmacht wie früher.»

Kultur bewahren

Wie sich Kultur in einer sehr schnelllebigen Zeit bewahren liesse? «Das beginnt sehr früh. Neben der Vermittlung von Kultur durch die Eltern scheint es mit sehr wichtig, das kulturelle Verständnis bereits in der Schule zu wecken», sagt sie, die acht Jahre im Oltner Stadtrat das Ressort Bildung verantwortete. Durch Vermittlung von Kultur fänden junge Menschen zu einer Identität, in der sie sich entfalten könnten. «Man dürfte in der Bildung kulturellen Fragen mehr Beachtung schenken», sagt sie. Dabei sei es nicht in erster Linie wichtig, dass der Lehrer die Kunst – etwa ein Bild – erkläre. «Entscheidend ist es, dass junge Menschen erkennen, was ein Bild mit ihnen macht.»

Madeleine Schüpfer definiert den Begriff Kultur breit. Er umfasst Dinge, die alltäglich scheinen. Jeden Morgen flattern bei ihr drei Zeitungen in den Briefkasten. «Ich bin altmodisch, aber ich liebe es, eine Zeitung in der Hand zu haben, das Geräusch beim Blättern zu hören. Auch das ist ein Teil unserer Kultur.» Wolle man diese lebendig halten, müsse man das gedruckte Wort bewahren. «Ich habe Angst davor, dass der Begriff Zeitung verschwindet.» Vom Lesen der Zeitungsmeldungen über das Smartphone hält sie wenig.

Die Kunst weitergegeben

Als Madeleine Schüpfer 31 Jahre zählte, verunglückte ihr Mann bei einem Arbeitsunfall tödlich. «Er war ein wunderbarer Mensch», sagt sie. Ihre Kinder waren gerade drei und fünf Jahre alt. Das Schreiben habe ihr geholfen, Traurigkeit zu überwinden. «Die Trauer in einer lyrischen Form aufzulösen, sie so zu verarbeiten – das war eine grandiose Bereicherung.»

Zu ihrem Sohn, Chefarzt für Kardiologie, und ihrer Tochter, Physiotherapeutin und Sportlehrerin, pflegt sie regen Kontakt. Oft besuchten sie gemeinsam Ausstellungen – der künstlerische Funke ist also auf die Kinder übergesprungen. Gerade neulich pilgerte sie mit ihrem Sohn auf eine Städtetour durch Basel. Die Stadt am Rheinknie hat es ihr sichtlich angetan, was auch an der vorzeigbaren Museums- und Ausstellungsdichte liegen dürfte. Doch sie hebt einen anderen ungeahnten Aspekt hervor: «Basel hat eine menschliche Ausstrahlung. Und die Basler sind einfach sehr liebenswert.» Ob sie Enkelkinder habe? «Nein. Das ist etwas schade. Aber das Leben ist, wie es ist.»

 

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