Feind in Sicht

<em>Daniel Kissling</em>, Kulturschaffender und Barkeeper. (Bild: M. Isler)
<em>Daniel Kissling</em>, Kulturschaffender und Barkeeper. (Bild: M. Isler)

«Warum bist du auf ihn losgegangen?», frage ich irritiert. Es ist Samstagnacht, ich stehe in meiner Bar und muss grad eine Schlägerei schlichten. Zwei Typen auf einen und Chaos drumherum. Einer der Beteiligten steht vor mir, immer noch aufgekratzt vom Adrenalin: «Ich fand mein Portemonnaie nicht mehr und da war dieser Typ und hatte es in der Hand und ich sagte und dann kam mein Kollege und dann...», haspelt er und ich seufze.

Schlägereien gehören mit zum Mühsamsten im Leben eines Barkeepers. Ich bin froh, passieren sie bei uns selten, doch komplett vermeiden kann man sie nicht. Insbesondere im Winter. Zumindest die Erfahrung lehrt mich: Wenn es kalt ist, wechseln die Menschen in der Schweiz schneller von Worten zu Fäusten. Weil Kälte mehr Energie braucht und sie deshalb vielleicht zu wenig zum Denken übrig haben. Oder weil sie das feindliche Wetter mit feindlichen Menschen verwechseln.

Wer überall Feinde vermutet, der findet sie auch. Im Ausgang, wo jeder komische Blick zum Anschlag, in der Arbeitswelt, wo gut gemeinte Kritik zum Meuchelmord und im Pendelverkehr, wo jedes zu weit ausgestreckte Bein zur Invasion hochstilisiert wird. Oder auch in der Politik, wo eine gegenteilige Meinung sowieso ein gezielter Angriff auf alles bedeutet, was einem hoch und heilig ist.

Natürlich kann es auch gute Gründe geben, warum ein Mensch der Welt mit Argwohn begegnet und natürlich gibt es Menschen, die unrühmliche Absichten hegen, die in Bars gehen, um sich zu prügeln oder Politiker, die vor allem für sich selber schauen. Ob der Typ an der Bar dein Portemonnaie aber in der Hand hält, weil er es klauen oder gerade abgeben wollte, findest du mit Fragen eher raus als mit Schlagen.

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