«Brüllaffen»

«Was machst du denn für ein
Gesicht?», sagte kürzlich mein Nachbar Urs.
«Ich habe Sorgen», sagte ich.
«Ein Stadtrat hat sich erkundigt, ob er mich vor Gericht verklagen kann.»
«Wieso denn?»
«Wegen Verbreitung unwahrer Frechheiten. In dieser Kolumne.»
«Ist das ein Straftatbestand?»
«Scheint so.»
«Welcher Stadtrat ist es denn?»
«Weiss nicht», sagte ich. «Man hat mir nur gesagt, dass er einen Bart trägt.»
«Das ist ja wie in Nordkorea», sagte Urs. «Dort zerren die
Politiker ihre Schriftsteller auch vor Gericht.»
«A propos Korea», sagte ich.
«Ich habe hier kürzlich von
einem Oltner Chinesen berichtet, der eigentlich Tibeter ist. Da stellt sich raus, der Chinese ist gar kein Tibeter, sondern Koreaner. Und eigentlich auch kein Oltner, sondern Trimbacher. Jetzt will mich dessen Vater
wegen Rassismus verklagen.»
«Geschieht dir recht», sagte Urs. «Musst halt ein bisschen was
studieren, bevor du deine Zeilen vollschreibst»
«Hm», sagte ich.
«A propos Korea», sagte Urs.
«Ich habe einen Film über Brüllaffen in Korea gesehen, an die
erinnerst du mich. Die brüllen ganz laut. Und wenn sie die Weibchen beeindrucken wollen, rennen sie in den Wald und schütteln den Schnee von
möglichst grossen Bäumen.»
«Ich erinnere dich an einen Brüllaffen?»
«Jawohl», sagte Urs.
«Deine koreanischen Brüllaffen sind japanische Schneeaffen», sagte ich. «Die sind nicht in
Korea zu Hause und auch nicht in China oder Tibet, sondern in
Japan. Du Brüllaffe.»
«Bist du sicher?»
«Ich habe den Film auch
gesehen.»
«Und dann kam da noch dieser Film über Pandabären. Weisst du, an wen mich die erinnern mit ihren runden Bärten?»
«Pandabären tragen keine Bärte», sagte ich, «und sie sind nicht aus Tibet, Japan oder Korea, sondern aus China.»
«Was du nicht sagst», sagte Urs.
«Halt jetzt die Klappe», sagte ich. «Du bringst uns noch beide hinter Gitter mit deinem Gequatsche.» Alex Capus