«Der nachhaltige Ätti»
Sei es der Haarschnitt, der Hausbau, oder das Ferienerlebnis: Alles ist heute «nachhaltig». Das Wort hat Hochkonjunktur. Keine Marketingabteilung, die nicht mit dem Begriff jongliert, kein Politiker, der in seiner Rede darauf verzichtet.
Nachhaltigkeit lehrt uns, den nächsten Generationen in den Bereichen Ökologie, Ökonomie und Soziales eine intakte Welt zu überlassen. Also eine sinnvolle Idee. Doch es macht den Anschein, dass wir zwar immer häufiger davon sprechen, gleichzeitig aber immer weniger nach diesem Ideal leben. Nachhaltigkeit wird zur Worthülse, zum Werbegag.
Unser Grossvater, wir nannten ihn «Ätti», war in Wisen Kleinbauer und später in Olten Magaziner in der Lastwagenfabrik Berna. Er wusste, was es heisst, Sorge zu tragen zu Umwelt, Mitmenschen und Material. Ätti war die erste Anlaufstelle, wenn wir ein Ersatzteil suchten. In einer seiner Schachteln fand sich immer die Schraube, die man benötigte. Denn über die Jahre hatte sich so einiges angesammelt, von dem er überzeugt war, dass man es noch brauchen könnte. Er zeigte mir auch, wie man einen defekten Velopneu flicken kann und ihn nicht gleich wegwerfen muss.
Ätti hatte zeitlebens gelernt, dass man Geld zuerst verdienen muss, ehe man es ausgibt. Und er war ein liebenswürdiger Mensch, der spürte, was ihm und seinen Mitmenschen guttat. Er lebte also nachhaltig, ohne davon zu wissen. Wenn er in der Garage etwas werkelte, rauchte er dazu einen Stumpen. Er zündete ihn an, rauchte, liess in ausgehen, legte ihn irgendwo hin, nahm in wieder und rauchte weiter. Der Stumpen reichte so für den ganzen Tag. Ob dies nachhaltig war, weiss ich nicht. Es war aber sicher ein Genuss.