«Die Geisterstadt (2)»

Im Death Valley gibt es eine Geisterstadt namens Skidoo, da gab es vor hundert Jahren eine Silbermine sowie eine Bank und einen Saloon. Der Wirt hiess Joe «Hooch» Simpson und schenkte sich, wenn wenig Kundschaft da war, gern selber einen ein. Er ist in die Geschichte eingegangen, weil die «Skidoo News» vom
5. April 1908 folgende Begebenheit festgehalten hat.

Am ersten Sonntag des April 1908 langweilte sich Hooch Simpson mangels Kundschaft so furchtbar, dass er nachmittags um halb drei sturzbetrunken hinüber zur Southern California Bank lief und dem Verwalter Jim Arnold die Pistole auf die Brust setzte.

«Gib mir zwanzig Dollar», sagte Hooch.

«Hau ab und schlaf deinen Rausch aus», sagte Jim.

Also verschwand Hooch Simpson und legte sich aufs Ohr. Zwei Stunden später aber kehrte er wieder und schoss Jim Arnold kommentarlos tot.

Als die Minenarbeiter nach Feierabend die Bescherung sahen, war ihnen klar, was zu tun war. Man musste telegrafisch den Sheriff aus Lone Pine herbeirufen. Die Schwierigkeit war nur die, dass er für den Ritt drei Tage benötigen und nicht vor Donnerstag eintreffen würde. Also beschlossen die Minenarbeiter, dem armen Hooch Simpson die Todesangst in seiner letzten Nacht zu ersparen und knüpften ihn schon am Mittwochabend an den Telegrafenmast.

Als der Sheriff am Donnerstag eintraf, lag Hooch schon unter der Erde und alles wäre erledigt und in bester Ordnung gewesen, wenn der Sheriff nicht einen Reporter des Los Angeles Herald im Schlepptau gehabt hätte, der gern einen Bericht über die Gerichtsverhandlung und eine Fotografie über die Hinrichtung gemacht hätte.

Kein Problem, sagten die Minenarbeiter. Sie holten ihre Schaufeln herbei und hoben Hooch aus dessen staubtrockenem Grab, klopften ihm die Wüstenerde aus den Kleidern, kämmten ihn ordentlich und knüpften ihn ein zweites Mal auf.

Der Reporter machte sein Foto und zog ab, alle waren zufrieden. Der Sheriff untersuchte den Vorfall vorschriftsgemäss und kam zum Schluss, dass Hooch durch Strangulation von unbekannter Hand zu Tode gekommen sei.

Alex Capus

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