«Erbsen zählen»

Wie viele andere Städte auch wächst Olten über seine Grenzen hinaus und mit den Nachbardörfern zusammen. Deshalb stellt sich immer mal wieder die Frage, ob man mit dem einen oder anderen Dorf fusionieren sollte. Vor fünfzig Jahren gab’s eine Volksabstimmung über eine Fusion mit dem mausarmen Bauerndorf Starrkirch. 70 Prozent der Starrkircher sagten Ja. Die Oltner aber fürchteten höhere Steuern und sagten Nein.
Heute steht wieder eine Fusion an, diesmal mit dem Arbeiter-vorort Trimbach. Die Dörfler werden im Juni an der Urne wohl Ja sagen, denn die Kasse ist leer und es gibt zu wenige Freiwillige für die Gemeindearbeit. Zu befürchten ist aber, dass die Oltner Nein sagen werden. Sie wollen keine höheren Steuern zahlen.
«Warum ausgerechnet das Proletendorf Trimbach?», sagen die Stammtischpolitiker. «Wiesofusionieren wir nicht erst mal mit Starrkirch, wo die Millionäre wohnen?»
Dazu muss man wissen, dass Starrkirch heute kein mausarmes Bauerndorf mehr ist. Die Bauern haben ihre Wiesen an Millionäre verkauft, und die haben Villen drauf gebaut. Dort sind die Reichen jetzt quasi unter sich. Vor den Toren der Stadt, und doch auf dem Land. Und steuergünstig. Fusionieren mit der Stadt, wo’s aller Gattung Leute hat? Ach, lieber nicht.
Heute will Starrkirch nicht mehr fusionieren, Trimbach aber schon. Ich finde, wir Oltner sollten das Erbsenzählen jetzt mal sein lassen und Ja sagen. Olten ist längst mit den umliegenden Dörfern zusammengewachsen. Kein Mensch weiss, wo Trimbach, Wangen, Starrkirch oder Dulliken anfängt und Olten aufhört. Und oben am Berg, in Wisen und Hauenstein, hat’s noch unbebaute Wiesen. Sollte mich nicht wundern, wenn dort bald Millionärsvillen aus dem Boden wachsen. Vor den Toren der Stadt, und doch auf dem Land.
Ich könnte mir vorstellen, dass die Trimbacher Millionäre, wenn es so weit ist, dann auch lieber unter sich bleiben. Eine Fusion mit der Stadt, wo’s aller Gattung Leute hat? Ach, lieber nicht. Wegen der Steuern, da müssten wir Oltner dann schon Verständnis haben. Alex Capus