«Goldschatz»

An einem der letzten Sommertage ging ich noch einmal in der Aare schwimmen. Ich stieg ins Wasser bei jenem Felsen, der im Volksmund «Dr Studänt» heisst. Ich hatte meine Taucherbrille dabei. Das Wasser war klar, wie ich es noch selten gesehen habe, in der Klos bot sich mir eine spektakuläre Unterwasserlandschaft mit schroffen Klippen, Schwärmen kleiner
Fische und ein paar richtig
dicken Brummern, die sich träge verzogen, als ein noch dickerer Fisch mit Taucherbrille auftauchte. Plötzlich sah ich unweit vom Ufer in gut zwei Metern
Tiefe etwas leuchten und glitzern - was war das? Ich tauchte hinunter, griff hinein in eine halb vermoderte Plastiktasche und hielt einen Schatz von Gold- und Silberschmuck in den Händen. Wirklich wahr, ungelogen. Natürlich waren die Brillanten aus Glas und wog das Gold viel zu leicht, um wirklich echt zu sein. Aber es waren doch immerhin ein paar Dutzend Broschen und Halsketten, Fingerringe und Armbanduhren, Ohrringe und Armreifen und so weiter und so fort.
Seither frage ich mich, wie dieser Schatz in die Aare geriet. Die
Eigentümerin war ohne Zweifel eine junge Frau, der Schmuck ist sehr figürlich und verspielt. Hat sie ihren Liebsten betrogen,
worauf er zur Strafe ihren Schmuck Poseidon opferte?
Oder hat im Gegenteil er sie
verlassen und hat deshalb sie
alles, was er ihr jemals geschenkt hat, über Bord geworfen? Oder sonst was? Wir werden es nie wissen - es sei denn, die Besitzerin meldet sich bei mir und
erzählt mir die wahre Geschichte. Dann gebe ich ihr alles
zurück. Zum Nachweis ihres
Besitzanspruchs muss sie mir nur zwei Fragen beantworten: Welche Farbe hat die Dolce&Gabana-Uhr? Und welche Farbe
haben die Augen der schwarz-
goldenen, mit Diamanten
besetzten Schlangenbrosche? Meine Telefonnummer steht im Telefonbuch.
P.S: Ich habe nicht ganz alles
erwischt, ein bisschen was von dem Zeug liegt noch unten. Aber ich weiss genau, an welcher
Stelle. Nächsten Frühling hole ich es hoch. Versprochen.
Alex Capus