Nackte Staubkörner

Der Mensch lebte während Zehntausenden von Jahren im Glauben, dass er letztlich bloss ein Staubkorn im Universum sei. Er akzeptierte seine Bedeutungslosigkeit und wusste, dass nicht jeder eine Kleopatra oder ein Churchill sein kann. Dann kam das Internet. Und mit ihm die Möglichkeit, sich vor einem globalen Publikum zu inszenieren. Plötzlich war der Bauarbeiter bekannt, weil er ein lustiges Filmchen seines tapsigen Sohnes veröffentlichte. Andy Warhols
oft zitierte «Viertelstunde Berühmtheit» wurde auf Facebook unendlich. Wir träumten vom Demokratisierungsschub dank dem Internet, doch viele missbrauchen dessen Potenz. Sie spucken Gift und Galle, ohne dem Gegenüber in die Augen schauen zu müssen und kaschieren falsche Behauptungen als Wahrheit.
Diese grosse Weltverändungsmaschine warf kürzlich ein paar Funken und viele mimen nun die Überraschten. Dabei ist schon lange klar: Die sogenannten sozialen Medien sind keine Wohl- tätigkeitseinrichtungen, sondern normale Unternehmen, die nach Gewinn streben. Für sie bin ich nichts anderes als ein Datensatz, den man verkaufen kann. Für Werbung oder Wahlkampf. Wir spielen Facebook und Co. in die Hände, opfern auf der Suche nach Anerkennung im Netz Klick für Klick unsere Privatsphäre. Gibt’s ein Zurück? Wohl kaum. Aber vielleicht ein kurzes Ausklinken. Beispielsweise mit einem Besuch der Sauna, die sich der Oltner Yachtclub wünscht. Dort sässen wir füdliblutt auf dem Holzrost, ohne die Möglichkeit, unsere echten körperlichen Dellen virtuell zu glätten für ein schönes Social-Media-Bild. Das Handy hätte in der Sauna ohnehin nichts verloren. Es bliebe das echte Gespräch mit anderen Saunagästen. Wir würden unsere Worte mit Bedacht wählen, weil das Gegenüber reagieren könnte - analog und unmittelbar.