Sonntags-Zöpfe

Elie Peter, Kommunikationsverantwortlicher und Schriftsteller. 
(Bild: Remo Buess)
Elie Peter, Kommunikationsverantwortlicher und Schriftsteller. (Bild: Remo Buess)

Plötzlich stand eine Frau am Zaun der Abwartswohnung: «Wisst ihr nicht, dass Fussballspielen jetzt verboten ist?»

Ich befand mich mit meinen Söhnen (7 und 9) auf dem Sportplatz eines Oltner Schulhauses. Wir wollten den neuen Ball ausprobieren, den sie von den Grosseltern erhalten hatten.

«Es ist Sonntagmittag!», blaffte die Frau und zeigte auf ein Schild. «Dort steht, dass Spielen am Sonntag über Mittag verboten ist.»

«Wir stören doch niemanden», entgegnete ich. «Die nächste Wohnung ist über hundert Meter entfernt…»

«Wir möchten Ruhe.»

«Machen Sie eine Siesta?», scherzte ich.

«Ja.»

«Wieso schliessen Sie nicht einfach das Fenster?»

Die Frau deutete nochmals nachdrücklich auf das Schild – und stapfte davon. Mein jüngerer Sohn hatte Tränen in den Augen. Und sein Bruder stellte die Frage: «Warum werden diese Leute Abwart, wenn sie uns Kinder hassen?»

Ich fand keine Antwort… Genauso wie eine Woche später: Wochenlang war das Wetter mies gewesen. Man konnte den Rasen nicht mähen, er stand bis zu den Knien. Endlich lachte die Sonne.

«Ich helfe dir beim Rasenmähen, Papa!», freute sich der ältere Sohn.

«Ääähh… Heute dürfen wir nicht mähen. Es ist Sonntag…»

«Na und?»

Ich blieb stumm. Dafür ertappte ich mich kurz darauf, wie ich meine französische Frau mahnte, heute dürften wir die Wäsche zum Trockenen nicht im Garten aufhängen.

Das gab mir dann zu denken: Ist es nicht höchste Zeit, dass wir diese alten Sonntags-Zöpfe abschneiden? Erstens ist unsere Gesellschaft nicht mehr besonders religiös. Zweitens hat sich die Zeit für Arbeit, Freizeitaktivitäten und Ruhe in den letzten Jahren völlig vermischt.

Für unsere Kinder ist die Antwort klar. Was finden Sie?

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