Teestunde

Donnerstag Mittag: Ich sitze im syrischen Restaurant an der Solothurnerstrasse und trinke Tee. Am Nebentisch plaudern zwei junge Frauen auf französisch, im Restaurant selber unterhält sich eine Gruppe lautstark auf Hochdeutsch. Als ich an meiner Zigarette ziehe, läuft ein Türke vorbei, den ich mal spätnachts kennen gelernt habe. Er erzählt mir von Izmir und dass er bald wieder dorthin fliegen wird, seine Mutter sei krank, er müsse sich um sie kümmern gehen.
Während der WM hupten nicht nur Kroaten und Spanier für ihre eigenen Mannschaften, sondern auch Albaner für die Schweizer und Bosnier für die Schweden. Ausschreitungen sind zumindest mir trotz Hitzköpfen und Bierrunden keine bekannt.
Olten als friedlicher Schmelztiegel der Nationen und Ethnien, die WM als Beispiel dafür. Das würd ich gerne denken. Darüber würd ich mich gerne freuen, doch kann ich es nicht. Am selben Morgen nämlich las ich in einem Online-Medium: In Olten lebt auch eine alleinerziehende Eritreerin mit ihrem Kleinkind. Sie jubelt nicht. Sie soll abgeschoben werden, haben ihr die Behörden mitgeteilt. Und fragt man derzeit auf dem Amt nach, so will man zu dem Fall keine Auskunft erteilen.
Die Eritreerin sieht man nicht durch die Sonne spazieren. Sie sitzt zu Hause in ihrer Wohnung und weint und weiss nicht weiter. Und kann sich dabei noch glücklich schätzen. Immerhin lebt sie. Immerhin ist sie nicht mit den hunderten anderen im Mittelmeer ertrunken. Andere sehen das anders. «Wieder ein paar weniger!», freuen sie sich. Auch in Olten. Dass sie das noch nicht mit Hupen und Johlen auf der Strasse tun, sondern nur unter ihresgleichen, ist ein schwacher Trost, denke ich und trink meinen Tee.