Tiere in der Stadt

Die Marmorierte Baumwanze ist ein anschauliches Beispiel für eine Kolonialisierung im 21. Jahr- hundert. Die Wanze kam, so lautet die mittlerweile weitgehend erhärtete These, als Geschenk aus China in die Schweiz. In Holzkisten mit Dachziegeln für den Chinagarten in Zürich trat sie vor 20 Jahren die Reise aus Asien in die Schweiz an, um sich danach munter zu vermehren und ihren Lebensraum stetig zu erweitern. Den Bauern geht sie ans Obst, und wir Städter haben sie in den letzten Wochen kennen gelernt, weil sie sich zum Überwintern ein warmes Plätzchen im Haus sucht. Will man sie nach draussen oder gar in die Ewigen Jagdgründe spedieren, so dankt das kleine Viech mit einem stinkenden Sekret, das es absondert.
Penetrant gerochen hat auch der Ziegenbock, der am Samstag-morgen seelenruhig durch die Oltner Innenstadt Richtung Stadthaus trottete. Das Rätsel seiner Herkunft war bald gelöst. Er gehörte zur Herde, die ein Wiesenbord am Stadtrand ab-weidete. Nebst den Ziegen ist derzeit auch eine Schafherde auf verschiedenen grünen Flächen in der Stadt anzutreffen.
Noch lächeln wir wohlwollend über die Bauernhoftiere mitten im Städtchen. Doch schon bald könnten sie zum Stadtbild gehören wie die Marmorierte Baumwanze. Dann nämlich, wenn wir in der Steuerhölle an-gelangt sind, vor der die Regionalzeitung unlängst warnte. Nach meiner naiven Vorstellung ist es in der Hölle nicht so toll, und der Zehnte, den wir der Stadt abliefern, dürfte dort so hoch sein, dass daneben kaum mehr Geld für Lebensmittel bleibt. Dann werden wir alle zu Selbstversorgern, lassen Kühe in den Vorgärten grasen und bauen im Stadtpark nach der Anleitung des Stadtrats Kartoffeln an. Es wäre gewissermassen die «Anbauschlacht Wahlen 2.0».