Verkehrte Welt(en)

Der Harlekin und der Waggis setzen sich auf die Mauer beim Ildefonsplatz, strecken zufrieden ihre Beine und legen die Masken neben sich auf den kalten Stein.
«Hast du gesehen, wie sich vorher alle in den Armen lagen und gemeinsam sangen?», fragt der Harlekin. «Das ist doch das Schöne an der Fasnacht», meint der Waggis. «Ja, aber am Mittwoch ist alles passé. Dann schlagen sie sich wieder die Köpfe ein.» Der Harlekin schaut am Ildefons- turm hinauf und spürt die kühle Nachtluft. «An der Fasnacht ist halt vieles anders als im normalen Leben», sagt er, «hast du mal ausgerechnet, wie viele Kilometer du zu Fuss unterwegs bist in diesen Tagen?» «Nein, auf diese Idee wäre ich noch nie gekommen», so der Waggis. «Es sind viele, du kannst es mir glauben. Nach der Fasnacht fahren wir dann wieder mit dem Auto ins Fitnesszentrum. Und für den Parkplatz wollen wir natürlich nichts bezahlen», ereifert sich der Harlekin. «Hör doch auf mit dem Seich! Am Schluss kommst du noch mit dem ganzen Budget-Gschtürm», hält der Waggis dagegen. Der Harlekin blickt auf das Pflaster vor sich und sagt: «Nein, dazu sage ich nichts. Ich frage mich nur, ob der Stadtrat die Gebühren für Leistungen des Werkhofs während der Fasnacht auch künftig erlassen würde, wenn wir Oltner nur noch das wirklich Nötige zahlen wollen.» «Wie viel ist es?» «Einige zehn-tausend Franken», rechnet der Harlekin vor.
Beide schweigen. Von der Hauptgasse her hört man den Rhythmus einer vorbeiziehenden Guggenmusig. Der Waggis nimmt einen Schluck aus seiner Bierflasche: «Ich find’s trotzdem schön – ich meine die Fasnacht.» Der Harlekin entlässt den Rauch seiner Zigarette langsam in den Oltner Nachthimmel. «Ich auch».