Ein halbes Leben im Parlament

Daniel Probst Für Daniel Probst, Direktor der Solothurner Handelskammer, endet in drei Wochen nicht nur sein Amt als höchster Oltner, sondern auch seine Gemeindeparlamentstätigkeit. Ein Gespräch über das Politisieren, die Folgen von Corona und das Stadtpräsidentenamt.

Daniel Probst hat sein Amt als Oltner Gemeindeparlamentspräsident in ungewöhnlichen Zeiten ausgeübt. Momentan tagt das Parlament jeweils im Konzertsaal des Stadttheaters Olten. (Bild: mim)
Daniel Probst hat sein Amt als Oltner Gemeindeparlamentspräsident in ungewöhnlichen Zeiten ausgeübt. Momentan tagt das Parlament jeweils im Konzertsaal des Stadttheaters Olten. (Bild: mim)

Nach 23 Jahren ist Schluss. Zumindest im Oltner Parlament. «Ich war lange dabei - die Hälfte meines Lebens», erzählt Probst und fügt an: «Wenn man eine Tätigkeit so lange ausübt, dann wird sie ein Teil von einem selbst. Ich war gerne Gemeindeparlamentarier, deshalb schwingt Freude und Wehmut mit.» Die Begeisterung für Politik wurde bei Probst in der Kantonsschule Olten geweckt. «Anlässlich der Abstimmung zum Beitritt in den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) kreuzten wir die Klingen und ich entdeckte die Freude am Debattieren», erinnert sich der 47-Jährige, der einst Volks- und Betriebswirtschaft an der Universität Basel studierte. 1997 wollte es der Oltner wissen und kandidierte für die Jungliberalen sowohl für den Gemeinde- als auch den Kantonsrat. «Die Jungliberalen in Olten kannte damals niemand und die Stadtpartei musste erst gegründet werden. Um überhaupt kandidieren zu können, waren zudem 100 Unterschriften nötig», erzählt Probst und fügt schelmisch an: «Glücklicherweise habe ich im Kleinholz im Hochhaus gewohnt, so waren lediglich ein paar Treppenstufen nötig, um die Unterschriften zusammenzutragen.» Der Einzug in den Kantonsrat sollte nicht klappen, aber den Sitz im Oltner Parlament schnappte Probst seiner heutigen Partei, der FDP, vor der Nase weg. In seinen Anfängen setzte er sich für Jugendpolitik ein und war Mitbegründer des Jugendparlaments.

Privatinitiative wächst

Gefragt nach 23 Jahren Mitgliedschaft im Oltner Parlament meint Probst, der sich selbst als liberal, engagiert, offen und organisiert beschreibt: «Im Nachhinein finde ich die Aktion der FDP vor Jahren, als wir gemeinsam den Saal verlassen haben, damit das Parlament nicht mehr beschlussfähig ist, nicht gut. Das würde ich heute nicht mehr machen», meint Probst selbstkritisch und fügt schmunzelnd an: «Vielleicht war dies nötig für die eigene Emanzipation.» Schwierig sei die Zeit vor einigen Jahren gewesen, als das Geld in Olten nicht mehr sprudelte, eine Zäsur, die bis heute nachwirke. Seit vielen Jahren dauert zudem die Diskussion um OltenSüdwest an. Als einst bekannt wurde, dass das Gelände von einem nicht regionalen Investor gekauft worden sei, hat Probst seine Ferien abgebrochen, um eventuell zu Hause noch eine Kehrtwende zur erreichen. Trotz dieser schwierigen Themen ist der zweifache Familienvater überzeugt, dass sich Olten zum Positiven gewandelt hat. «Die Politik jedoch, die überschätzt sich oftmals selbst», meint Probst trocken und fügt an: «In den letzten Jahren ist viel auf Privatinitiative passiert. Beispielsweise wurde die IG Sport Olten, die Interessen Gemeinschaft Oltner Guggenmusigen (IGOG) oder aufgrund der Oltner Finanzkrise Pro Kultur Olten sowie eine neue politische Partei gegründet. Dadurch ist die Stadt vielseitiger, farbiger, urbaner und lebendiger geworden.» Mit seinen 30 Prozent Ausländeranteil gelte Olten zudem als Schmelztiegel. «Die Stadt war immer offen für Neues und gegenüber fremden Kulturen», so der 47-Jährige und fügt mit einem schelmischen Lachen an: «Zudem gibt es heute in Olten weniger Nebel. Und falls es doch mal Nebel hat, dann tragen wir Oltner die Sonne im Herzen.»

Vieles unter einen Hut bringen

Bereits im 2000 war Probst während eines Jahres im Kantonsrat vertreten, was schliesslich mit seiner Arbeit nicht zu vereinbaren war. Nachdem es bei den letzten Wahlen nicht für einen Sitz reichte, hatte Probst zwar damit gerechnet, dass er im Kantonsparlament für die FDP nachrutschen werde, nicht aber, dass es so bald geschieht. «Nachdem ich das Parlamentspräsidentenamt einige Male aus Zeitgründen ausgeschlagen habe, sagte ich nun für 2020 zu», erzählt Probst. Deshalb kam für den Direktor der Solothurner Handelskammer mit dem Einsitz in den Kantonsrat ab März 2019 und dem Amt als Parlamentspräsident ein halbes Jahr später so einiges zusammen. «Ich bin gut im Organisieren, trotzdem stellte ich fest, dass ich mich im Kantonsrat nicht so einbringen kann, wie ich das gerne möchte», begründet der Parlamentarier seinen Rücktritt.

Kantonal etwas bewegen

Probst bezeichnet den Kanton Solothurn als komisches Gebilde. «Ein grosser Teil der kantonalen Einnahmen kommen aus dem nationalen Finanzausgleich, also von anderen Kantonen und dem Bund. Ich möchte unseren Kanton mehr auf seine eigenen Beine stellen. Dies ist jedoch nur durch die Zusammenarbeit mit anderen Kantonen möglich», betont Probst. «Auf kantonaler Ebene kann noch viel ausgerichtet werden. Dieses wirtschaftspolitische Mitprägen liegt auch in meinem beruflichen Interesse», so der Kantonsrat, der seit 2013 Direktor der Solothurner Handelskammer ist. Angesprochen auf die vergangenen Monate, die durch viel Arbeit und Gespräche geprägt waren, meint der Direktor: «Es war und ist brutal. Im Unterschied zum damaligen Frankenschock oder zur Finanzkrise, war nun durch den Lockdown jede Branche betroffen.» Zum Glück seien gemeinsam mit der Solothurner Regierung und den Verbänden rasch erste Massnahmen getroffen worden. «Viele Wirtschaftszweige haben eine solche Krise noch nie erlebt. Selbstständige haben keine Rücklagen und teilweise auch keine Versicherungen», so Probst und fügt an: «Insbesondere bei der Industrie ist davon auszugehen, dass sich die Krise länger hin-ziehen könnte, da die Auslandnachfrage fast ganz eingebrochen ist.» Probst rechnet mit einer Rezession und höheren Arbeitslosenzahlen. «Ohne Ängste schüren zu wollen, ist es so, dass wir das Gröbste leider noch nicht überstanden haben.» Er gehe aber auch davon aus, dass die schwierigen Zeiten zusammenschweissen und persönliche Kontakte an Wert gewinnen. «Zudem dürfte die Krise in manchen Branchen eine Art Wandel auslösen, indem beispielsweise ins Ausland ausgelagerte Bereiche wieder in der Schweiz angesiedelt werden. Dies sorgt für weniger Reisen und generiert wieder Arbeitsplätze», so Probst. Die wichtigste Massnahme im Moment sei jedoch die Kurzarbeit.

Ungewöhnliches Präsidentenjahr

Doch nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht war Probst in den vergangenen Monaten gefordert. Die Coronakrise habe sein Wirken auch als Parlamentspräsident massgeblich beeinflusst, denn nach der Fasnacht seien alle Veranstaltungen weggefallen. «Nachdem auch die Parlamentssitzung im März abgesagt werden musste, habe ich mir überlegt, wie sich das plötzlich ausser Kraft gesetzte Gemeindeparlament bemerkbar machen könnte. Beim Joggen hatte ich schliesslich die Idee.» Innerhalb von zwei Tagen haben sich alle Stadtparteien für einen gemeinsamen Auftritt zusammengeschlossen. In einem Inserat im Stadtanzeiger verkündeten diese, dass sie trotz Lockdown für die Bevölkerung da seien. «Wir wollen schliesslich nicht nur Schönwetterpolitiker sein», so Probst. Daneben hat Stadtschreiber Markus Dietler in Anlehnung an die Session des Kantonsrats Vorkehrungen getroffen, damit im Mai erstmals wieder eine Parlamentssitzung im Konzertsaal des Stadttheaters durchgeführt werden konnte. «Der neue Sitzungsort birgt viele positive Aspekte», meint Probst und spielt dabei auf die Effizienz bei den Sprechern an. «Wir konnten in den letzten Sitzungen wichtige Geschäfte wie den Aarezugang oder auch das Schulhaus auf den Weg bringen.» Vor der Krise erinnert sich Probst insbesondere an die Budgetdebatte bis um 1 Uhr nachts. «Ich war nicht mehr müde, sondern kam in einer etwas übermütigen Stimmung fast ein bisschen in eine Art Politik-Flow», erinnert sich Probst schmunzelnd. Seinen Abschied als Parlamentarier hat er an der letzten Sitzung Ende Juni gefeiert, wo er als Mitglied der Hilari-Zunft zu Olten von dieser mit launigen Worten verabschiedet wurde.

Die Politik als Beruf?

«Mitglied im Gemeindeparlament zu sein, wo ich mich mit anderen Meinungen auseinandersetzen muss und die unterschiedlichsten Themen besprochen werden, empfinde ich nach wie vor als Privileg. Deshalb werde ich nach einem Weg suchen, um diesen Austausch auch weiterhin pflegen zu können», betont der Oltner. Nachdenken kann Probst beim Joggen oder im Fitnesscenter. Eher meditativ und entspannend ist hingegen die Fahrt zur Arbeit nach Solothurn. Kraft tankt der zweifache Vater, bei seiner Familie. Und schliesslich ist da noch der eine oder andere Verein, in dem sich der Vielbeschäftigte engagiert. «Ich habe das Glück ein hohes Energielevel sowie eine grundsätzlich positive Lebenseinstellung zu haben, auch wenn es mal schwierig wird», erklärt Probst, der vor acht Jahren schon mal mit einem Stadtratsamt geliebäugelt hat. «Dass ich nicht gewählt wurde, war schliesslich gut, denn ein paar Monate später habe ich den Job als Direktor bei der Solothurner Handelskammer bekommen, in dem ich meinen beruflichen sowie politischen Hintergrund einbringen kann», so Probst und fügt an: «Ich bin absolut glücklich mit dem, was ich habe.» Ganz ausschliessen möchte er jedoch weder eine Kandidatur als Stadtpräsident noch als Regierungsrat. Doch das habe Zeit, denn sicher sei er sich nicht, ob er die Einschränkungen dieser politischen Ämter mittragen wolle und könne. «Ich habe heute beides - die Freiheit und die Möglichkeit Einfluss zu nehmen, ohne mich jedoch verbiegen zu müssen», so Daniel Probst.

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