«Die Region ist hochkreativ»

Wirtschaftsförderer Rolf Schmid Seit mehr als einem Jahr dominiert Corona auch die Arbeit des regionalen Wirtschaftsförderers. Doch Rolf Schmid sieht in der Krise auch Chancen und positive Entwicklungen für die Wirtschaft.

«Zum Innovativsein gehört das Rebellische, Freigeistige, das hier in Olten ziemlich verbreitet ist, ebenso wie eine latent vorhandene Unzufriedenheit mit Bestehendem und die Suche nach dem Besseren.» Wirtschaftsförderer Rolf Schmid.

«Zum Innovativsein gehört das Rebellische, Freigeistige, das hier in Olten ziemlich verbreitet ist, ebenso wie eine latent vorhandene Unzufriedenheit mit Bestehendem und die Suche nach dem Besseren.» Wirtschaftsförderer Rolf Schmid.

"Die Krise stiess Veränderungen an, die nachhaltig sein werden." (Bilder: Achim Günter)

"Die Krise stiess Veränderungen an, die nachhaltig sein werden." (Bilder: Achim Günter)

Rolf Schmid, ein gutes Jahr Corona liegt hinter uns – wobei das Jahr nicht viel Gutes mit sich brachte. Wie haben Sie als Wirtschaftsförderer der Region Olten das Jahr erlebt?

Rolf Schmid: Intensiv, nicht so wie geplant. Vieles von dem, was wir uns vorgenommen hatten, konnten wir nicht umsetzen. Wir wurden im März 2020 «eingebremst». Veranstaltungen, die einen bedeutenden Teil unserer Arbeit ausmachen, mussten wir vorerst absagen. In der Folge führten wir den einen oder anderen Streaming-Event durch, stellten auf Webinare oder hybride Events um. Vernetzungsanlässe oder Firmenbesuche mussten wir grösstenteils komplett ausfallen lassen. Dafür kamen neue Aufgaben hinzu. Gerade im ersten Lockdown nahmen wir unsere Aufgabe als Anlaufstelle sehr stark wahr. Diese Aufgabe haben wir ohnehin, aber in der Corona-Zeit boten wir das noch verstärkt an.

Wurde diese Hilfestellung rege genutzt?

Ja, sehr rege. Aber auf sehr unterschiedliche Weise. Da waren ganz einfach zu beantwortende Fragen dabei, aber auch komplexe Aufgaben. Häufig ging es auch nur darum, in dieser Phase der Ungewissheit einer Unternehmerin oder einem Unternehmer zuzuhören und rasch zu helfen. Es baten uns primär Selbstständige und kleinere Unternehmen um Hilfe. Wir halfen zum Beispiel beim Ausfüllen von Formularen, vermittelten Fachleute und arbeiteten mit der Kantonalen Wirtschaftsförderung zusammen. Im ersten Lockdown wurden wir stärker beansprucht als nun im zweiten. Viele Unternehmen konnten sich inzwischen der veränderten Lage anpassen. Bei uns landeten häufig die Sonderfälle, also nicht jene 08/15-Fälle, die man selbst im Internet abhandeln kann. Es erreichten uns zum Beispiel Fragen wie «Ich wäre eigentlich schon pensioniert, führe aber noch immer eine Firma, habe ich nun auch Anrecht auf Kurzarbeit?». Solche Fragen klärten wir ab und halfen weiter.

Waren auch Anfragen von Behörden dabei?

Wir haben nicht die Behörden an sich beraten, waren aber quasi deren verlängerter Arm bei Wirtschaftsthemen. Dafür sind wir ja schliesslich da! Die Gemeinden von Oensingen bis Schönenwerd und die Stadt Olten finanzieren uns mit, wir sind deren Wirtschaftsförderer. Aber unsere «Kunden» waren die Unternehmen.

Als Wirtschaftsförderer hätten Sie sich aber lieber mit anderen Themen befasst.

Logisch (lacht). Ich habe die Situation insofern positiv angenommen, als dass ich finde, dass wir unter anderem genau dafür da sind. Die Wirtschaftsförderung existiert auch, damit sie in schwierigen Situationen helfen kann! Und ich glaube, dass wir in dieser Phase zeigen konnten, was wir können. Andererseits hat das gesamte Ansiedlungsgeschäft, das für uns sehr wichtig ist, beinahe nicht stattgefunden – aber das war natürlich nicht nur in der Region Olten so. Was ich aber auch erwähnen möchte: Die Pandemie hat gewisse Entwicklungen befördert, die sonst ausgeblieben wären. Und wir leben in einer Logistikregion – da hat man gerade in dieser Krise festgestellt, wie wichtig diese Industrie ist. Auch haben wir in vielen unserer Unternehmen einen Digitalisierungsschub erlebt. Corona hat also auch Entwicklungen unterstützt, die für die Zukunft wichtig sind.

Also orten Sie auch positive Aspekte?

Es soll nicht zynisch klingen, aber es gab sicher auch positive Aspekte, ja. Die Krise stiess Veränderungen an, die nachhaltig sein und sich vielleicht auch als richtig herausstellen werden.

Wird die Wirtschaftswelt der Region nach der Pandemie ein anderes Gesicht haben?

Was die Struktur anbelangt, kann ich das noch nicht abschätzen. Es ist zu früh, um Bilanz zu ziehen – auch das gilt übrigens für die gesamte Schweiz. Die Kurzarbeit hat sich als Instrument bewährt, die Covid-Kredite oder die Härtefallregelungen, die jeweils kurzfristig Liquidität sicherten, waren allesamt hilfreich. Aber ich bin vorsichtig, denn ich glaube schon, dass es die momentanen Massnahmen sind, die viele Betriebe tragen. Fallen die dann mal weg, ist schon zu befürchten, dass wir mit dem einen oder anderen Verlust konfrontiert sein werden. Was möglicherweise ein positiver Effekt sein kann: Man wurde am einen oder anderen Ort experimentierfreudiger. Ich bin beispielsweise beeindruckt, was manche Gastronomen innert kurzer Zeit auf die Beine gestellt haben. Oder Firmen begannen, Online-Beratungen anzubieten oder zogen Online-Shops auf. Also setzte es auch innovative Kräfte frei. Und der Home-Office-Effekt wird auch hier in Olten Spuren hinterlassen. Olten ist eine Pendlerstadt, aber plötzlich wird nicht mehr gependelt. Es ist also ein Fragezeichen zu setzen hinter dieser Positionierung. Arbeiten die Leute künftig vermehrt hier statt in Zürich? Das war auch der Grund, wieso wir ein Co-Working-Projekt, das wir ohnehin vorgesehen hatten, in den vergangenen Monaten gepusht haben. Man muss sich auch überlegen, was Corona letztlich für einen Einfluss auf die Immobilien hat. Ich kann mir vorstellen, dass es gerade für eine Region wie unsere auch positive Effekte haben kann.

Ist die Region innovativ genug?

(zögert) Die Region Olten ist an sich sehr innovativ. Oder zumindest hochkreativ. Beurteilen wir Innovativität nach den wirtschaftlichen Kriterien «Erfindung – Produkt – Markterfolg», bin ich der Meinung, dass wir noch zulegen können und müssen. Betrachtet man neben der Wirtschaft auch das kulturelle oder gesellschaftliche Engagement, so halte ich die Region für sehr kreativ. Wir haben hier viele sehr engagierte, kreative Köpfe. Das ist auch der Grund, weswegen wir seit ein paar Wochen die Region so vermarkten: «Die Macher-Region». Hier wohnen Macherinnen und Macher. Da, wo Leute aus allen Himmelsrichtungen aufeinandertreffen und sich austauschen, da passiert etwas. Und genau das macht Olten aus. Beim anderen Thema, bei der wirtschaftlichen Innovation, haben wir zwar einige Leuchttürme. Diese sind aber manchmal zu wenig sichtbar. Und Ausruhen gilt sicher nicht. Ich bin der Meinung, dass wir mehr können und mehr Innovation brauchen. Wir haben hier einen guten Boden. Denn zum Innovativsein gehört das Rebellische, Freigeistige, das hier in Olten ziemlich verbreitet ist, ebenso wie eine latent vorhandene Unzufriedenheit mit Bestehendem und die Suche nach dem Besseren. Wenn es gelingt, diese in Innovation umzusetzen, ist das etwas Positives.

Was wünschen Sie sich von der Politik?

(zögert lange) Mein Wunsch an die Politik ist, dass sie unternehmerisches Denken und Handeln ermöglicht und unterstützt. Ich bin sehr stark davon überzeugt, dass wir sowohl unseren Wohlstand sichern als auch anstehende Grossaufgaben wie Klimawandel, Altersvorsorge oder soziale Herausforderungen lösen können, wenn es der Wirtschaft gut geht. Eigentlich ist es fast mehr ein Wunsch an die Gesellschaft als an die Politik: Unterstützt Menschen, die unternehmerisch denken und handeln!

Rolf Schmid, in Aeschi (SO) aufgewachsen und seit 1998 in der Region Olten wohnhaft, ist seit Mai 2018 Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Region Olten. Diese wird getragen von der Stadt Olten, den 34 Gemeinden des Gemeindeverbandes Olten-Gösgen-Gäu und vom Industrie- und Handelsverein Olten und Umgebung. Bei der Wirtschaftsförderung widmet sich Schmid (40 Prozent) zusammen mit Désirée Tobler (90 Prozent) einer Vielzahl von Aufgaben. Bestandespflege, Ansiedlung und Gründung, Standortpromotion sowie Wohnmarketing sind die wichtigsten. Dazu kommen diverse Unterthemen wie etwa Detailhandel, Leerstandsmanagement oder Raumplanung. Schmid ist Betriebswirtschafter HSG und Miteigentümer einer Unternehmensberatungsfirma. Er ist 49 Jahre alt und wohnt mit Frau und Sohn (5-jährig) in Starrkirch-Wil. (agu)

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