«Wollen laute Kultur machen»

Schliessung coq d’Or Vor einem Monat wurde bekannt, dass das alternative Kulturlokal Coq d’Or im Sommer schliesst. Dessen Geschäftsführer Daniel Kissling schlägt sich derzeit mit mehreren «Baustellen» herum – und wälzt Pläne für die Zukunft.

«Es gibt momentan zwei Varianten. Die realistischere ist, dass wir nun erst mal durchschnaufen.» Daniel Kissling, Geschäftsführer Coq d’Or. (Bilder: Achim Günter)

«Es gibt momentan zwei Varianten. Die realistischere ist, dass wir nun erst mal durchschnaufen.» Daniel Kissling, Geschäftsführer Coq d’Or. (Bilder: Achim Günter)

Daniel Kissling, Sie sind seit 2013 Geschäftsführer des Kulturlokals Coq d’Or. Vor einem Monat gaben Sie per Facebook-Post bekannt, dass das Coq d’Or per Ende Juni schliessen wird. Was ist seither passiert?

Daniel Kissling: Wir haben momentan drei Baustellen: Bei der ersten geht es darum, im Coq d’Or alles sauber abzuschliessen. Die zweite dreht sich um das Programm, den Inhalt der restlichen Monate bis zur Schliessung. Wir überlegen uns, was wir noch machen – wenn wir denn überhaupt dürfen. Und die dritte ist die Frage nach dem Danach. Was folgt für uns persönlich? An diesen Baustellen arbeiten wir im Moment. Und wir warten aufs Härtefallgeld, das wir noch immer nicht erhalten haben.

Es wurde Ihnen nach dem Schliessungsentscheid viel Solidarität zuteil…

…das war schön und hat uns gefreut.

Waren auch konkrete Angebote dabei, die Ihnen eine Perspektive für die Zukunft bieten?

Im Detail nicht. Aber es wurde uns wieder stärker bewusst als in den vergangenen Pandemie-Monaten, dass es eine Community gibt, die diesen Ort schätzt. Das lässt uns für die Zukunft wieder Pläne schmieden. Denn wenn man spürt, dass viele Leute Gefallen finden an dem, was man tut, sucht man nach neuen Möglichkeiten.

Aber das Coq d’Or schliesst seine Türen ganz sicher? Oder gibt es noch ein kleines Fünkchen Hoffnung?

Nein. Ende Juni geben wir hier den Schlüssel ab. Wir werden am 18. und 19. Juni hoffentlich noch ein rauschendes Fest feiern können. Danach wird hier geputzt und aufgeräumt. Was danach kommt, wissen wir wirklich noch nicht. Wir diskutieren viel miteinander. Wir haben auch geplant, eine mehrteilige Diskussionsreihe zu organisieren zum Thema Kultur: Was ist in Olten möglich? Was braucht es in Olten? In welcher Struktur kann man das umsetzen? Wie finanziert man das? Solche Fragen würden wir mit interessierten Menschen gerne diskutieren.

Grund für das Aus ist, dass Sie wegen fehlender Einnahmen aufgrund der Corona-Pandemie die Miete nicht mehr bezahlen konnten.

Das ist der offizielle Grund, ja. Aber beide Seiten waren seit längerer Zeit nicht mehr zufrieden mit der Partnerschaft. Als wir letzten Herbst im Team eine Retraite durchführten und das weitere Vorgehen planen wollten, waren wir uns bereits einig, dass wir künftig ohnehin etwas hätten verändern wollen. Denn bereits vor der Pandemie, im Februar 2020, mussten wir ja den Kellerraum des Coq d’Or schliessen, weil wir ihn aufgrund von verschärften Brandschutzbestimmungen nur noch für 50 Personen hätten betreiben dürfen. Wir wussten: Wir wollen laute Kultur machen. So war für uns klar, dass es hier für uns langfristig keine Zukunft gibt.

Der Kulturverein Coq d’Or, der die vielen Konzerte oder Literatur- und Themenabende im Lokal in den letzten Jahren organisiert hat, bleibt bestehen. Ist schon ansatzweise spruchreif, wo die alternative Kulturszene in Olten künftig beheimatet sein wird?

Spruchreif ist noch gar nichts. Wir müssen sorgfältig überlegen, ob wir nochmals ein solches Lokal tragen können. Klar ist aber: Wieder ein solches Lokal zu haben, das wäre schön. Aber es müsste das richtige sein. Nach mehreren Jahren als Geschäftsführer weiss ich, wo die möglichen Probleme liegen: Stichworte sind etwa Lautstärke, Lage, Aussenbereich. Solche Überlegungen fliessen jetzt in den Prozess ein, weil wir nicht wieder dieselben Probleme haben möchten, wie wir sie hier hatten.

Was müsste also an einem neuen Standort anders beziehungsweise besser sein als an der Tannwaldstrasse?

Zuerst sage ich vielleicht kurz, was der Vorteil des aktuellen Standorts war. Ausgezeichnet war die Erreichbarkeit, wegen der Lage unmittelbar am Bahnhof. Gerade für uns, die auch viele Leute von ausserhalb Oltens angezogen haben, war das ein Pluspunkt. Sicher müsste der Aussenbereich künftig besser und gemütlicher sein, damit man auch im Sommer ein Konzept umsetzen könnte, das Geld bringt. Der Sommer wird immer wichtiger und länger. Wenn von Mitte Mai bis Ende September Sommer ist, hat man es in Lokalen wie dem Coq d’Or schwierig. Die Lautstärkefrage müsste gelöst sein. Weiter braucht es Parkplätze für Bands und mehrere Räume im Backoffice-Bereich.

Ist es allenfalls denkbar, Olten zu verlassen und zum Beispiel in Dulliken oder Trimbach ein Lokal zu eröffnen?

(seufzt) Trimbach oder Dulliken wären Varianten, die man sich theoretisch vorstellen könnte. Grundsätzlich ziehe ich diese Variante aber eher nicht in Betracht. Das Coq d’Or beinhaltete immer zwei Ideen: einerseits die Bar, andererseits die Events. Die beiden Elemente haben sich stets stark vermischt. Ein Lokal wie das Coq d’Or gehört in die Stadt. Wir wollen Leute haben, die bei uns ein Feierabendbier trinken kommen. Durch solch spontane Treffen sinkt hoffentlich die Hemmschwelle, Kultur zu konsumieren. Vielleicht kommt dadurch jemand an eine Lesung, der eine solche in einem Literaturhaus nie besuchen würde. Oder jemand besucht mal ein Konzert einer bis anhin unbekannten Band. Ziel war es immer, gerade jungen Leuten Kultur zu zeigen, die sie sonst nicht wahrnehmen würden. Läge das Lokal nun ausserhalb Oltens, kämen die Leute bloss für das, was sie schon kennen. Wir wollen nicht nur Eventlocation sein, sondern auch ein Ort, an dem sich die Leute begegnen können, damit sich daraus dann vielleicht wieder neue Projekte ergeben.

Das bedingt einen zentralen Standort.

Ja, je zentraler das Lokal liegt, desto eher passiert das. Allerdings gibt es auch spannende periphere Standorte in Olten, etwa das Industriegebiet Nord. Ich glaube, dass dieses Gebiet in den nächsten Jahren das grosse Entwicklungsgebiet von Olten sein wird.

Da ist bereits wieder eine gewisse Projektlust herauszuspüren…

…absolut. Auch in der Innenstadt gibt es spannende Locations. Wir diskutieren auch die Idee von Zwischennutzungen, also einen Ort zum Beispiel nur während dreier Monate zu bespielen. Wollen wir aber einen Dauerbetrieb einrichten, müssen gewisse Rahmenbedingungen einfach stimmen. Denn das hat ja in den vergangenen zehn Jahren Coq d’Or auch an der Substanz gezehrt: die permanenten Reibungen, die bestehen, wenn man im Nachtleben beziehungsweise im Kulturbereich tätig ist. Wenn man immer auf die Lautstärke oder dergleichen achten muss, ist das unheimlich anstrengend.

Das wiederum würde nun aber eher für ein Durchschnaufen sprechen.

Es gibt momentan zwei grundlegende Varianten. Die eine ist: Wir finden den perfekten Ort, in den wir all unsere Energie reinstecken. Die realistischere Variante ist, dass wir nun erst mal durchschnaufen und alle vorläufig ihre eigenen Wege gehen.

Daniel Kissling wirkt seit 2013 als Geschäftsführer des Kulturlokals Coq d’Or, das in Olten als Aushängeschild der (alternativen Jugend-)Kultur gilt. Anfang März wurde bekannt, dass das Lokal per Ende Juni 2021 nach mehr als zehn Jahren seine Türen für immer schliesst. Neben Kissling, der vom Kulturverein Coq d’Or in einem 70-Prozent-Pensum angestellt ist, verlieren zwölf weitere Angestellte mit kleinen Teilzeitpensen ihre Stelle. Kissling hat einst an der Uni Basel zehn Semester Philosophie und Germanistik studiert. Er ist 33 Jahre alt, lebt mit seiner Partnerin und einer kleinen Tochter in Olten und schreibt als Kolumnist für diese Zeitung. agu

www.coq-d-or.ch

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