«Glaube nicht an Beizensterben»

Gastronomie Peter Oesch, der Präsident von GastroSolothurn, sieht die Öffnung der Restaurantterrassen aus betriebswirtschaftlichen Gründen kritisch. Er hofft, dass für die Gastronomie im Mai der nächste Öffnungsschritt erfolgt.

«Die Leute wollen einfach endlich wieder arbeiten, denn es handelt sich ja faktisch um ein behördlich auferlegtes Berufsverbot.» Peter Oesch, der Präsident von GastroSolothurn, hofft, dass bald wieder normal gewirtet werden kann. (Bild: AGU)
«Die Leute wollen einfach endlich wieder arbeiten, denn es handelt sich ja faktisch um ein behördlich auferlegtes Berufsverbot.» Peter Oesch, der Präsident von GastroSolothurn, hofft, dass bald wieder normal gewirtet werden kann. (Bild: AGU)

Herr Oesch, am vergangenen Mittwoch hat der Bundesrat weitere Öffnungsschritte bekannt gegeben. Restaurants und Bars dürfen seit Montag die Terrassen wieder bewirtschaften. Wie fällt Ihr Urteil als Präsident von GastroSolothurn dazu aus?

Peter Oesch: (seufzt) Man hat diesen Schritt ja erwartet. Für die Branche ist er nicht optimal. Offene Terrassen rechnen sich für viele Betriebe nicht. Die Umsätze sind stark wetterabhängig, bei Temperaturen von unter 10 Grad wie letzte Woche setzt sich niemand in eine Gartenterrasse. Zudem sind die Öffnungszeiten eingeschränkt. Ich habe bei Kollegen nachgefragt, der Tenor war immer mehr oder weniger derselbe: «Wir werden nicht öffnen.» Ich verstehe diese Haltung. Wir haben im Vorstand von GastroSuisse darüber gesprochen und waren uns einig: Wir sind nicht gegen diese Öffnung. Aber es werden wenige Gastronomen davon profitieren. Denn sehr viele Betriebe haben gar keine Terrasse. Bei anderen fehlt die Sonne. Und im Frühling setzt sich niemand draussen an den Schatten. Die Forderung nach offenen Terrassen kommt ursprünglich von den Skigebieten. Aber da herrschen ganz andere Rahmenbedingungen als zum Beispiel bei uns im Mittelland.

Sie haben sich mehr erhofft?

Der Öffnungsschritt ist gut gemeint. Die Branche wird dadurch aber gespalten. Manche profitieren, andere fallen noch weiter zurück. Die Gastronomiebranche umfasst unheimlich unterschiedlich gelagerte Betriebe. Es ist schwierig.

Aber realistisch waren zusätzliche Lockerungen aufgrund der zuletzt wieder steigenden Corona-Fallzahlen nicht.

Nein, damit konnten wir nicht rechnen. Stand jetzt rechne ich damit, dass im Verlauf des Monats Mai die Restaurants wieder öffnen dürfen. Mir tun auch die Mitarbeitenden leid. Manche konnten schon sechs, sieben Monate nicht arbeiten. Und die erhalten meist bloss 80 Prozent des Lohns. Also verfügen sie im Jahr über ein, zwei Monatslöhne weniger im Haushaltsbudget – und es ist ja bekanntlich keine Branche, die hohe Löhne zahlt. Das tut mir im Herzen weh! Da nützt auch die Kurzarbeitsentschädigung nicht allzu viel. Und die Leute wollen ja arbeiten.

Handelt es sich beim aktuellen Öffnungsschritt aus Ihrer Sicht also nur um ein Zückerchen, um die Gastronomen beziehungsweise vor allem die coronamüde Bevölkerung zu besänftigen?

Genau. Diese Aussage kann man sicher dick unterschreiben. Wenn man die Kinos öffnet, die ja auch Esswaren anbieten, muss man natürlich auch den Restaurants entgegenkommen. Aber wir sind ja hier, um Geld zu verdienen, nicht um Geld zu verteilen. Und die laufenden Kosten müssen wir ja auch irgendwie decken. Ob das so gelingen kann?

Wie nehmen Sie generell die Stimmung unter Gastronominnen und Gastronomen gegenüber den politischen Entscheidungsträgern wahr?

Anfang Jahr, als die Härtefallgelder noch immer nicht bezahlt wurden, lagen die Nerven blank. Ich habe das verstanden. Denn es gibt in einem Betrieb stets gewisse Kosten zu begleichen: Lohnnebenkosten, Miete, Strom, Versicherungskosten, Mehrwertsteuern. Das war eine sehr frustrierende Zeit anfangs Jahr. Da hatte auch ich zeitweise schlaflose Nächte. Ich habe von Branchenkollegen zahlreiche Mails mit einem hoffnungslosen Grundtenor erhalten. Selbstmordgedanken hat mir gegenüber zwar niemand geäussert, aber die Leute waren wirklich frustriert, sahen keine Perspektive mehr für sich. Dann hat aber die Politik im Kanton Solothurn super reagiert, auch der Gewerbeverband und die Handelskammer. Sie vermochten die Stimmung durch die Auszahlung der Härtefallgelder zu drehen. Zu Beginn hatten die Behörden deren Aufwand total unterschätzt. Das habe ich der zuständigen Regierungsrätin auch persönlich gesagt. Inzwischen hat sich die Stimmung etwas gewandelt, die Branche ist entspannter. Aber die Leute wollen einfach endlich wieder arbeiten, denn es handelt sich ja faktisch um ein behördlich auferlegtes Berufsverbot.

Werden viele Betriebe nach Corona gar nicht mehr öffnen, allenfalls auch namhafte?

In unserer Region ist mir das kaum bekannt. Es gibt vereinzelte Betriebe, die wegen Corona eine ohnehin geplante Schliessung vorgezogen haben.

Die Leute müssen also nicht fürchten, dass ihr Lieblingsrestaurant nie mehr öffnen wird?

GastroSuisse hat ja wiederholt prophezeit, dass bis zu einem Drittel der Betriebe verschwinden werde. Für GastroSolothurn könnte ich das in dieser Form nicht bestätigen. Durch die Auszahlung der Härtefallgelder hat sich die Situation wie gesagt entschärft. Allerdings: Hält die Krise nochmals ein, zwei Monate an, reichen diese Gelder auch nicht mehr. Aber ich glaube nicht, dass es zu einem grossen Beizensterben kommen wird.

National trat Casimir Platzer als Präsident von GastroSuisse häufig medial in Erscheinung. Wie bewerten Sie seine Arbeit?

Als ausgezeichnet. Das war das erste Mal, dass GastroSuisse derart im medialen Fokus stand. «Casi» hat einen super Job gemacht. Er trat bestimmt auf, fand jeweils auch ganz klare Worte.

Also stehen die Gastronomiebranche und die kantonalen Gastro-Sektionen hinter ihm?

Es kam mir auch zu Ohren, dass man sich noch stärker oder sogar auf der Strasse mit Demonstrationen hätte wehren sollen. Aber grossmehrheitlich hielten wir uns zurück und unterstützten den Kurs von GastroSuisse. Demonstrationen, wie sie die Bauern teilweise veranstalten, hätten kontraproduktiv gewirkt, weil sich dann bestimmt Krawallbrüder angeschlossen hätten. Wir haben auf den politischen Weg gesetzt. Wären Forderungen an mich herangetragen worden, die Betriebe entgegen der bundesrätlichen Vorgaben einfach zu öffnen, hätte ich mich davon distanziert.

Vorher haben Sie gesagt, Sie rechnen damit, dass sich die Lage im Verlauf des Monats Mai normalisiert.

(seufzt) Darf ich mich da überhaupt noch festlegen? Ich will mich nicht in die Nesseln setzen. Man kann es vielleicht so sagen: Wenn nun die Corona-Fallzahlen nicht explodieren, sondern auf dem gegenwärtigen Niveau bleiben, dürfte der Druck hoch bleiben, weitere Öffnungen zu bewilligen. Massgebend ist die Entwicklung beim Impfen. Wenn mal 50, 60 Prozent der Bevölkerung geimpft sein werden, wird sich die Situation entspannen. Aber aktuell wird leider der ganze Diskurs zu Corona von der Wissenschaft bestimmt. Vor zwei Jahren habe ich gar nicht gewusst, dass es in der Schweiz derart viele Infektiologen, Virologen oder Epidemiologen gibt.

 

Peter Oesch ist seit 2002 Präsident von GastroSolothurn, der Solothurner Kantonalsektion des Gastgewerbeverbandes. Nach diversen Stationen zuvor führt er seit Oktober 2020 gemeinsam mit Bernadette Rickenbacher im Franchise-System die Suteria an der Hauptgasse in Olten. Oesch ist 62 Jahre alt und wohnt in Starrkirch-Wil. (agu)

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