Der Mocken des Male Wyss

Kunstausstellung Für die Ausstellung «Derä schöne Aare naa» schnitt der Oltner Künstler Markus «Male» Wyss einen Eisberg aus Styropor. Noch bis August treibt der nun vor dem Ländiweg.

Male Wyss in seinem Oltner Atelier: Etwa zehn verschiedene Entwürfe des Eisbergs vor dem Ländiweg entstanden an diesem Tisch. (Bild: Franz Beidler)
Male Wyss in seinem Oltner Atelier: Etwa zehn verschiedene Entwürfe des Eisbergs vor dem Ländiweg entstanden an diesem Tisch. (Bild: Franz Beidler)

Er gehe schon seit den Achtzigern jede Woche mehrmals mit Kollegen in der Oltner Aare schwimmen, erzählt Male Wyss. «Also, im Sommer», schiebt er nach und schmunzelt. Trotzdem sei das Wasser manchmal sehr kalt. «So kalt, dass wir manchmal witzeln, wir müssten wohl bald Eisschollen vertreiben.» Wyss lacht ob der Erinnerung an die Spässe.

Seit Anfang Mai schwimmt vor der Baustelle am Oltner Ländiweg eine solche Scholle, ein Eisberg – allerdings aus Styropor. Es ist Wyss‘ Werk. Der 66-Jährige ist Zeichner, Maler und Plastiker. Die letzten zwanzig Jahre arbeitete er freiberuflich, oft für Werbeagenturen. Für die Ausstellung «Dere schöne Aare naa» des Kunstmuseums Olten verwirklichte er die Eisscholle auf der Oltner Aare. «Eigentlich eine absurde Idee», sagt Wyss.

Daran herumzudenken, begann er schon im vergangenen Jahr, als ihn die Anfrage des Kunstmuseums erreichte. «Ganz zu Beginn sollte der Eisberg zwölf Meter lang werden», erzählt Wyss. Er fand Firmen, die Styropor in solchen Grössen zuschneiden. Dreissigtausend Franken hätte das gekostet. Für den Einmannbetrieb Wyss zu teuer.

Als er im vergangenen Februar an konkreten Entwürfen zu arbeiten begann, war der Eisberg in der Vorstellung zwar kleiner geworden. «Dafür ist er jetzt, was ein Mann mit zweitausend Franken herstellen kann», sagt Wyss. Vier Meter lang, zwei Meter breit und fast ebenso hoch ist die Scholle nun, «der Mocken», wie Wyss die Skulptur nennt. Bis Ende März hatte er etwa zehn verschiedene Formen entworfen und im Massstab eins zu zehn modelliert. «Aber ich war mit keinem so wirklich zufrieden», erinnert er sich. «Eisberge haben keine typische Form», erklärt Wyss. «Zuerst brechen sie vom Gletscher ab, dann sind es scharfkantige Mocken, und mit der Zeit werden sie kleiner und runder.» Sein Eisberg sollte aussehen, als käme er aus den Alpen, «also ein relativ frischer Mocken.» Eines Morgens Ende März stand Wyss vor dem Tisch im Atelier, der übersät war mit Styroportrümmern. «Dann sah ich ihn plötzlich», erinnert sich Wyss. Zwei Abschnitte Styropor lagen so aufeinander, wie Wyss’ Eisberg heute aussieht.

Über zweihundert Kilogramm

«Der Mocken wiegt wohl etwas über zweihundert Kilogramm», sagt Wyss. Ein Gewicht also, das er dann doch nicht alleine stemmen kann. Der Werkhof Olten kam Wyss zu Hilfe. «Alles liebe Cheibe», sagt er über die Menschen vom Werkhof. Sie waren es, die per Lastwagen drei Stücke Styropor in den Oltner Werkhof transportierten. In dessen Werkstatt schnitt Wyss die Stücke zu, «in etwa drei Tagen». Er hatte sie aufeinander gelegt, zusammengeleimt und mit Gurten festgezurrt.

Mit dem Beginn der Ausstellung wurde die Scholle zu Wasser gelassen und mit Haken an den Gurten an zwei Pfösten befestigt. Die Vorrichtung müsse flexibel genug sein, um die Bewegungen des Wassers mitzumachen. «Der Wasserstand der Aare ist seit der Montage sicher schon um einen Meter gestiegen», schätzt Wyss. Dass die Scholle vor der Baustelle am Ländiweg treibt, stört Wyss nicht, im Gegenteil: «So ist sie nicht so leicht zugänglich.» Eine Skulptur wie die seine wecke halt oft den menschlichen Spieltrieb.

Ein symbolträchtiges Bild

Eine Eisscholle treibt auf der Aare vor einer Baustelle, die den Flusszugang verschönern will: ein symbolträchtiges Bild. «Ich finde es gut, wenn das dazu anregt, über den Einfluss der Menschheit nachzudenken», sagt Wyss. Eine konkrete Aussage, eine Botschaft oder gar ein Aufruf habe er aber nie beabsichtigt. «Ich interpretiere meine Werke nicht.» Das könnte den Schaffensprozess sogar hemmen, mutmasst Wyss, «wenn ich immer eine Signalwirkung im Hinterkopf habe.»

Das gilt auch für das sonstige Oeuvre des Oltner Künstlers. Sein angestammtes Thema ist das Triviale, das Alltägliche. So malt er zum Beispiel Szenen aus Fernsehsendungen nach. «Wenn ich arbeite, läuft meist im Hintergrund irgendwelche billige TV-Unterhaltung», erzählt Wyss. Manchmal packt ihn eine Szene und er fotografiert sie ab, um sie später zu malen. «Inzwischen habe ich etwa fünftausend solcher Schnappschüsse auf dem Computer gespeichert», sagt Wyss lachend.

Die Scholle, Wyss’ Mocken, ist also ein Ausreisser in seinem Schaffen. «Mit Konzeptkunst habe ich mich bisher noch nie befasst», meint er. «Und ich habe noch nie etwas so Grosses hergestellt.» Ebendiese Grösse bereitet ihm Sorgen. «In drei Monaten muss ich den Mocken per Kran wieder aus dem Wasser hieven.» Er werde ihn wohl zersägen und aus den Teilen etwas anderes modellieren. «Im Pool will den ja wohl niemand haben», witzelt er. Und findet dann: «Es muss ja auch nicht immer alles für die Ewigkeit sein.»

www.markuswyss.ch

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