«Abfall zieht Abfall an»

Littering Das achtlose Liegenlassen von Abfall oder das illegale Deponieren von Abfall im öffentlichen Raum sorgte während der Corona-Zeit manchenorts für Negativschlagzeilen. Wie sieht es in Olten aus?

Littering der übelsten Sorte: Dieser Anblick bot sich diesen Frühling im Hardwald.

Littering der übelsten Sorte: Dieser Anblick bot sich diesen Frühling im Hardwald.

René Wernli.

René Wernli.

Ein Abfallberg – noch dazu in Brand gesetzt – neben einem Abfalleimer: Auch mit solchen Szenen sehen sich die Werkhofmitarbeitenden konfrontiert. (Bilder: ZVG)

Ein Abfallberg – noch dazu in Brand gesetzt – neben einem Abfalleimer: Auch mit solchen Szenen sehen sich die Werkhofmitarbeitenden konfrontiert. (Bilder: ZVG)

Littering ist längst kein Fremdwort mehr. Obwohl es sprachlich betrachtet eines ist. Aus dem Englischen stammend, ist der Begriff im deutschen Sprachgebrauch inzwischen fest verankert. Weil die Problematik nach wie vor derart präsent ist, dass sie kaum jemand negieren kann.

Das achtlose Wegwerfen oder Liegenlassen von Müll im öffentlichen Raum rückte in den vergangenen 14 Monaten in vielen Orten der Schweiz gar noch mehr in den Vordergrund als ohnehin schon. Der Grund: Corona. Insbesondere in jenen langen Phasen, in denen die Restaurants geschlossen bleiben mussten, nahm die Verschmutzung des öffentlichen Raumes laut der IG saubere Umwelt (IGSU) vielerorts sichtbar zu. Auch in der Stadt Olten? René Wernli, als Leiter Werkhof auch oberster Verantwortlicher über das Abfallwesen, zeichnet ein differenziertes Bild: «Mit dem Lockdown im Frühjahr 2020 fing es für uns sehr gut an. Da gab es praktisch kein Littering. Mitarbeiter von uns konnten damals Überzeit kompensieren. Im Sommer und Herbst nahm das Littering wieder zu, im Winter ging es dann leicht zurück. In den letzten Monaten hat es sich wieder zugespitzt wegen des ganzen Take-Away-Konsums im Freien.» Gerade in den vergangenen Wochen sind die Abfallberge gemäss dem 55-Jährigen deutlich höher gewesen als im langjährigen Vergleich.

Die jüngsten Lockerungen des Bundesrates, die seit Montag in Kraft sind, freuen Wernli deshalb. «Wir rechnen damit, dass sich die Situation dadurch im öffentlichen Raum respektive auf den Party-Plätzen etwas entspannen wird.» Die Take-Away-Konsumationen aufgrund der geschlossenen Restaurants hätten dazu geführt, dass die Reinigungsteams des Werkhofes die Reinigungstouren intensivieren mussten. Im Innenstadtbereich zum Beispiel haben sie laut Wernli manche Abfalleimer teilweise dreimal statt nur einmal täglich geleert. An den Wochenenden hätten sie zudem in der Innenstadt gezielt «Event-Kübel» platziert.

Littering hat verschiedene Gesichter

Dabei ging es primär darum, den anfallenden Abfallbergen Herr zu werden. Aber es sollte auch eine Vorbildwirkung erzielt werden. Denn herumliegender Abfall verleitet potenzielle Abfallsünder, ihren eigenen Müll ebenfalls einfach an Ort und Stelle liegen zu lassen. Oder wie es Wernli formuliert: «Abfall zieht Abfall an.»

Ebenfalls eine Form von Littering begehen jene Menschen, die ihren Abfall neben einem vermeintlich vollen Abfallbehälter deponieren. Allerdings, erklärt Wernli, liessen diese Litterer zumindest ein Mindestmass an Anstand walten, reduziere sich dadurch doch wenigstens der Aufwand für die Werkhofmitarbeitenden. Ebenfalls ein Problem stellten in der Corona-Zeit die Gesichtsmasken dar, die entweder aus der Tasche fielen oder bewusst irgendwo liegen gelassen werden und schliesslich irgendwo einen Busch oder Weiher verunstalten.

Und was auch immer wieder den Zorn Wernlis und seines Teams hervorruft: Leute, die ihre Haushaltsabfälle in kleine Plastiktüten stopfen und diese dann in öffentlichen Abfallbehältern entsorgen. Da komme es regelmässig zu Anzeigen. «Denn es kann ja nicht sein, dass jene, die den Abfall mit den Gebührensäcken ordnungsgemäss entsorgen, dann via Steuern auch noch für die anderen bezahlen müssen.» Übrigens, schiebt Wernli vielsagend hinterher, staune man jeweils, wer als Übeltäter überführt werde. «Es ist nicht die Rentnerin, die den Franken dreimal umdrehen muss, bevor sie ihn ausgibt.»

Untermauern Zahlen den Eindruck, dass das Littering nach wie vor ein grosses Problem darstellt und Corona die Problematik gar noch verstärkt hat? Während 2020 in Olten 17 Tonnen mehr Hauskehricht gesammelt worden seien, habe es im öffentlichen Bereich einen Rückgang gegeben. Der diesbezügliche Höhepunkt, der eigentlich ein Tiefpunkt ist, sei 2018 erreicht worden – nachdem die Zahlen auch in den Jahren davor stetig gestiegen seien. 2019 sei das Abfallvolumen dann im Vergleich zum Vorjahr um acht Prozent, 2020 erneut um vier Prozent zurückgegangen.

Kann man also von einer Trendwende zum Guten sprechen? Wernli zeigt sich verhalten optimistisch. «Das Umweltbewusstsein nimmt zu. Und damit auch die bewusstere Verwendung von Wegwerfverpackungen.» Hoffnung verleihen ihm auch die jüngsten Mitglieder der Gesellschaft. Bei Besuchen etwa von Kindergärtlern im Werkhof sei er oft erstaunt über deren Umweltbewusstsein.

Allerdings: Die jüngst abnehmenden Abfallmengen im öffentlichen Bereich sagen nichts darüber aus, ob das Littering rückläufig ist. Denn, so Wernli, im öffentlichen Raum könne nicht unterschieden werden zwischen Littering und ordentlich entsorgtem Müll. «Die Mitarbeiter leeren auf ihrer Tour die Abfallbehälter und Robidogs und reinigen im gleichen Arbeitsgang auch die öffentlichen Plätze, sammeln also zum Beispiel herumliegende Masken oder PET-Flaschen auch gleich ein.» Am Ende lande alles aus dem öffentlichen Bereich in den selben Containern – und folglich auch in der selben Statistik.

Für eine Entwarnung in Sachen Littering ist es also zu früh. Die traurigen Beweisfotos, welche die Werkhofmitarbeitenden auf ihren Reinigungstouren jeweils schiessen, unterstreichen das. Aber vielleicht schafft es unsere Gesellschaft ja, dass der Begriff Littering bald seltener verwendet werden muss – oder sogar wieder zu einem Fremdwort mutiert.

www.werkhof-olten.ch

 

Am kommenden Samstag hätte der Bring- und Holtag des Werkhofs Olten stattfinden sollen. Wegen Corona fällt dieser nun allerdings wie bereits im Vorjahr aus. Normalerweise gut besucht, dient der Bring- und Holtag jeweils auch dazu, die Bevölkerung für Anliegen rund ums Thema Abfall sensibilisieren zu können. (agu)

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