Feier nach drei Monaten Betrieb

Beratungsstelle Opferhilfe Seit dem 1. Juli verfügt der Kanton Solothurn in Olten über eine eigene ­Beratungsstelle für Opfer von Gewalt und Unfällen mit Drittverschulden. Vergangene Woche wurde die Eröffnung nun gefeiert.

Agota Lavoyer, die Leiterin der neuen Beratungsstelle Opferhilfe, an ihrem Schreibtisch in den Räumlichkeiten im Oltner Gerolag Center. (Bilder: Franz Beidler)

Agota Lavoyer, die Leiterin der neuen Beratungsstelle Opferhilfe, an ihrem Schreibtisch in den Räumlichkeiten im Oltner Gerolag Center. (Bilder: Franz Beidler)

Regierungsrätin Susanne Schaffner begrüsste die Anwesenden an der Feier.

Regierungsrätin Susanne Schaffner begrüsste die Anwesenden an der Feier.

Drei Monate nachdem die Beratungsstelle Opferhilfe ihre Arbeit an der Oltner Industriestrasse aufgenommen hatte, wurde die Schaffung der neuen Stelle nun auch gefeiert. «Das hat nicht nur mit Corona zu tun», erklärt Agota Lavoyer, Leiterin der neuen Beratungsstelle Opferhilfe. Es habe auch so viel zu tun gegeben, dass eine Feier vorerst zweitrangig war. «Ausserdem dachten wir, es wäre spannender, wenn wir auch schon etwas über den Betrieb Auskunft geben können.»

Einen Rückblick über die ersten drei Monate gab Lavoyer an der Eröffnungsfeier am vergangenen Donnerstag dann auch. In Zahlen tönt der so: In den rund neunzig Tagen behandelte die Beratungsstelle bereits über zweihundert Fälle. Dreiviertel der Beratenen waren Frauen, mehr als die Hälfte aller Fälle handelten von häuslicher Gewalt, rund ein Viertel von sexualisierter Gewalt. Etwa eine von zehn beratenen Personen war noch minderjährig – die jüngste Person war sogar noch ein Kleinkind, die Älteste hingegen über siebzig Jahre alt. Knapp ein Drittel der Opfer kam über die Polizei zur Beratungsstelle, der Rest waren sogenannte Selbstmelder.

Auch mit einer Anekdote unterstrich Lavoyer die Nachfrage nach Opferberatung: Die erste Person meldete sich am Tag der Eröffnung, also am 1. Juli, morgens um 8.22 Uhr, also nur kurz nachdem die Telefone überhaupt in Betrieb genommen worden waren.

An der Feier kamen fast fünfzig Personen zusammen, viele von ihnen im Namen einer Institution. So waren zum Beispiel die KESB, die Polizei, die dargebotene Hand, die kantonale Suchthilfe oder die Fachstelle Lysistrada vertreten. Daneben waren auch Anwältinnen und Anwälte sowie Therapeutinnen und Therapeuten eingeladen, mit denen die Beratungsstelle eng zusammenarbeitet. Begrüsst wurden die Anwesenden ausserdem von Regierungsrätin Susanne Schaffner.

«Schön, mal die Gesichter zu sehen»

«Es war sehr schön, mal die Gesichter der Menschen zu sehen, mit denen wir nun schon einige Zeit lang zu tun haben», erklärte Lavoyer im Anschluss an den Anlass. Die Beratungsstelle bekannt zu machen und mit anderen Institutionen zu vernetzen ist der Leiterin wichtig. «Wenn man die Gesichter der Leute kennt, dann wird der Kontakt niederschwelliger.»

Lavoyer selbst nahm die Arbeit als Leiterin bereits im vergangenen April auf. Zuvor war die 40-Jährige als stellvertretende Leiterin von Lantana tätig, einer Opferhilfestelle für Opfer von sexualisierter Gewalt in Bern. Sie gilt denn auch als Expertin für sexualisierte Gewalt und tritt regelmässig als Referentin und Netzaktivistin auf. In Olten nimmt sie sich nun einer grösseren Breite an Opfern an.

Ihr gefalle die neue Themenvielfalt. «Und ich finde es reizvoll, beim Aufbau einer neuen Beratungsstelle und einem neuen Team mitzuhelfen.» Sie sei ja zu achtzig Prozent angestellt, «da bliebt noch Zeit», meint sie gelassen. So leitet sie zum Beispiel schon im November eine Vorlesung an der Universität Bern, eben als Expertin für sexualisierte Gewalt.

Hohe Anforderungen an Räume

Ein besonderes Anliegen waren Lavoyer die Räumlichkeiten der neuen Beratungsstelle. «Sie müssen zentral und gut erreichbar sein und gleichzeitig Sicherheit bieten», erklärt sie. Denn: «In der Hälfte aller Fälle besteht Gewaltpotenzial.» Sprich: Die Befürchtung, dass Täter ihre Opfer in die Beratungsstelle verfolgen könnten. In den Räumlichkeiten im Oltner Gerolag Center sei die Beratungsstelle nun sehr gut aufgehoben.

«Höchste Priorität haben Klientinnen und Klienten»

«Die höchste Priorität haben immer unsere Klientinnen und Klienten», stellt Lavoyer klar. Daneben will sie sich auch weiterhin dem Teamaufbau widmen. Mit der Eröffnung im Juli nahmen neben Lavoyer eine Beraterin und eine Sachbearbeiterin die Arbeit auf. Im August kam bereits eine weitere Beraterin dazu. Und ab Oktober wird das Team nochmals um eine Beraterin vergrössert. Alle Angestellten arbeiten in Pensen zwischen sechzig und achtzig Prozent. «Insgesamt gehen wir etwa von 800 bis 900 Fällen pro Jahr aus», rechnet Lavoyer vor. «Um das zu bewältigen, sind sicher insgesamt 430 Stellenprozente nötig.»

Besonders am Herzen liegt der Leiterin der innere Zusammenhalt des Teams. «Die Geschichten, die wir zu hören bekommen, können sehr belastend sein», weiss sie. «Niemand soll das mit nach Hause nehmen müssen.» Psychohygiene nennt das Lavoyer. Jeweils der Dienstagvormittag steht dieser Intervision mit Fallbesprechung zur Verfügung, aber auch zur Supervision mit einer externen Supervisorin sowie zur Weiterbildung. «Da laden wir regelmässig Fachpersonen zum Austausch ein», erklärt Lavoyer. Auch Besuche anderer Institutionen sind geplant, um sich noch weiter zu vernetzen. Die Telefone werden in dieser Zeit von der dargebotenen Hand betreut.

Kurzfristig benötigt die Beratungsstelle noch neue Software, um effizient arbeiten zu können. Als langfristiges Ziel hat sich Lavoyer vorgenommen, mit der Beratungsstelle auch Jugendliche anzusprechen. «Was müssen wir für eine Stelle sein, damit auch sie das Angebot nutzen?», fasst Lavoyer die Herausforderung in einer Frage zusammen.

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